Sanssouci: Vorschlag
■ Schüler spielen „Theresienstadt“ von Anna Smulowitz
Bevor der Vorhang sich öffnet, sehen wir Bilder. Kinder mit großen Augen, runden Hüten, unter denen sich die rituellen Schläfenlöckchen kringeln, sie lachen. Dann Bilder von 1941 und 1943, Prag, Krakau, Wien. Traurige Kinder mit dem gelben Stern auf der Brust, Kinder hinter verschlossenen Fenstern. Man hört das Rollen von Zügen, irgendwann auch die ersten Takte des Requiems von Verdi. Der Vorhang öffnet sich. Wir sind im Zellenblock 22 des Konzentrationslagers Theresienstadt. Es ist der 3. September 1943, und morgen kommt ein Sonderzug mit Musikern aus ganz Westeuropa. Sie sollen den Emissären des Internationalen Roten Kreuzes ein Lagerparadies vorspielen; der Führer hat den Juden eine Stadt geschenkt.
Vier Kinder erwarten den Zug. Celia, Rubin, Miriam und Corrina. Drei von ihnen warten und hoffen. Sie haben Hunger und schlagen sich um die Essenszuteilungen. Corrina hofft nicht mehr, sie kennt die Zukunft. Täglich fahren Züge nach Auschwitz, „dort gibt es einen großen Ofen für alte und unnütze Menschen“. Aber „ich bin weder alt noch unnütz, noch gehöre ich zu euch“, sagt sie, ihr Vater sei Arier. Weil sie weiß, ist sie zynisch und brutal. Sie kämpft um ihr Überleben, kollaboriert mit der Lagerleitung, schmückt sich mit einer Hakenkreuzfahne, knüpft eine Puppe auf, bellt Kommandos. Als Aaron und Lea kommen, Kinder von Musikern, eskaliert der Terror in Zelle 22. Corrina, die Einsame, denunziert Miriam bei der Lagerleitung – die Romanze zwischen Aaron und Miriam gefährdet ihr Kapo- Regime. Doch auch heute fährt wieder ein Todeszug nach Auschwitz. Die Nr. 604 wird aufgerufen, Corrina bricht weinend zusammen: „Ihr habt mir mein Leben doch versprochen.“
Von den 15.000 nach Theresienstadt deportierten Kindern haben etwa 150 überlebt. Die Autorin des Stücks, Anna Smulowitz, ist eine von ihnen. Die SchauspielerInnen kennen das KZ nur aus Schulbüchern, aber spielen das Stück, als ob sie dabeigewesen wären. Schmerzend intensiv, eine Streetfighter-Überlebensgeschichte, das alte Thema Herrschaft und Beherrschte. Es sind Schüler der hessischen Odenwaldschule, die diese Authentizität auf die Bühne bringen. Bis Samstag sind sie noch in Berlin, und viele Zuschauer seien ihnen gewünscht. Anita Kugler
Heute, 18.30 Uhr, Haus der Kirche, Goethestraße 26–30 Sa., 18 Uhr, Ev. Schule, Guerickestraße 4–6, Charlottenburg.
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