piwik no script img

SanssouciNachschlag

■ Die LiteratHuren mit "Satansbraten" in der UFA-Fabrik

Die eine, Martina Frenzel, Kabarettistin, Sängerin und Musikerin, ist die modische Discobiene mit klassischen Klavierkenntnissen und Traum vom Fliegen. Die zweite, Autorin Cornelia Arnhold, repräsentiert die zu Reife und Mode gekommene Ex- Freakfrau, die sich – auch auf der Bühne – mit gymnastischen Übungen fit hält und ihren Hang zu zotiger Ausdrucksweise pflegt. Frederike Frey, die dritte im LiteratHuren-Komplott, einstmals mit ihrem Buch „Losgelebt“ und ihren Bauchladengedichten angetreten, gibt den Typ energisches Marktweib mit Hirn und ohne Sprechpause. Auf der Bühne haben sie einträchtig ihre Schreibtische nebeneinandergestellt, doch der Schein trügt. Es wird gesprochen, gelesen, theoretisiert, gesungen, manchmal sogar getanzt: ein Nummernprogramm, das weder inhaltlich noch personell zusammenhält. Die Themen Sex und Literatur, mit Gewalt sprachlich verquickt, verbunden durch die inhaltlich und formal oft völlig aus dem Kontext purzelnden Songs von Martina Frenzel, und unter „kessem“ weiblichen Sezierblick dargereicht, werden nur an der Oberfläche gestreift.

Die drei Damen im schwarz-roten Erotik-Look, die sich nach drei Jahren Abstinenz wieder auf die Bühne begeben haben und nun mal einen gemeinsamen Sparkassenformular-Kanon anstimmen, dann über erigierte Glieder singen und trommeln, um sich anschließend gegenseitig schlechte Kritiken vorzulesen, bewegen sich auf unterschiedlichem Niveau. Cornelia Arnhold liest, mit Unterbrechungen über das gesamte Programm verteilt, die Liebesgeschichte von Henriette, die sich vorgenommen hat, nur mit „Juden und Schwarzen“ ins Bett zu gehen. Martina Frenzel singt, begleitet vom Akkordeon oder Piano, von Impotenz, dem Satan, den sie herbeiwünscht oder – ganz unvermittelt – auch vom Hochsicherheitstrakt Deutschland, und bleibt dabei dem deutschen Bardentum à la Konstantin Wecker stets hart auf den Fersen. Einzig Frederike Frey bricht immer wieder ein, in die ansonsten wenig aufregende, extrem heterosexuelle Atmosphäre, mit anarchischem Potential und sprachgewaltiger Wildheit unter dem braven, blonden Pagenkopf. Die Bundesdichterin, wie sie sich selbst nennt, hält atemlose Monologe, spielt auf Kindertröten und -trommeln und schreibt ihre Gedichte inzwischen im Zeitungsformat, „weil ja eh keiner mehr Lyrik und Prosa liest“. Die Worte werden also mit all den seltsamen Trennungen, die Blocksatz im schmalen Spaltenformat hervorruft, gelesen und erscheinen unter Rubriken wie dem Wohnungsmarkt. Und das macht dann wirklich Spaß. Anna-Bianca Krause

Noch heute und morgen, 20.30 Uhr, UFA-Fabrik, Viktoriastraße13-18, Tempelhof.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen