Sanssouci: Vorschlag
■ T-Shirt raus, und schlappmachen gilt nicht: Tool im Loft
Wäre ich ein Promotrottel, ich würde mit der kalifornischen Band Tool dem ganzen Loolapalooza-Happyhallelujah-Zirkus die Bude einrennen; ich hätte dem guten Paul King schon Tausende von Dollars in den Arsch gesteckt, der Tante von Headbangers-Ball ihre peinlich-blauen Haare geflochten und überhaupt schon tausend Videos, Tapes, Aufkleber und ähnliches an die geifernden Fanzine-Meute verteilt. Und hätte mir für Tool so gar nicht ausgelutschte Wörter wie Crossover, progressive, Potential oder Üüüberraschung ausgedacht.
Ganz ähnlich dürfte das sicher auch gelaufen sein, doch vor lauter Lemets, Dog Eat Dogs, Biohazards, Stombox', Spermbirds und Rage Against The Machin's weiß sowieso kein Mensch mehr, wessen T-Shirt auf seiner Post-Hardcore-Brust prangen soll. So konnte es denn auch sehr leicht passieren, daß Tool ein geschlagenes Jahr ihren Album-Knüller called „Undertow“ draußen hatten und außer im Sat.1'schen Kulturkanal 4 keine größere Aufregung verursachten. Knuff, bratz und ruck und zuck machte es auf „Undertow“. Da wird Kraft durch Härte erlangt und brechen weder Marmor, Stein noch Eisen. Schlappmachen gilt nicht, Angst und Schwermut hängen da natürlich nicht im Keller, auch wenn die Band darauf hinweisen will, daß es „Dinge des Unterbewußten gibt, die nur darauf warten, losgelassen zu werden“, wie Sänger Maynard James Keenan das ausdrückt. Warum die allerdings ausgerechnet bei Tool den Gang ins Freie antreten sollen, bleibt ungewiß, denn Tool machen diesen ganz speziellen Sound, der gut die kurzen Energiestöße in den Körper pumpt, der stark macht, meine Güte, warum nicht; der aber auch nicht einen Gitarrenwummer lang in der Lage ist, Doppelbödigkeit herzustellen, und maximal Vergessen und Folgenlosigkeit garantiert. Metallische Stop-and-gos machen Seele friedlich, aber sicher nicht froh. Logisch, daß Henry Rollins ihnen schon Beistand geleistet hat und in dem Song „Bottom“ eine Minute lang seine Theorie vom Survival vorträgt. Also: T-Shirt raus und ab ins Loft. Gerrit Bartels
Heute, 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.
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