Sanssouci: Vorschlag
■ Jon Flynns "The Vanity of Insanity" in der Brotfabrik
Fliege sein ist schwer – besonders, wenn die Fliege eigentlich lieber eine Hummel wäre. Immer dieser Streß. Und dann macht's doch „Splat“. Und mögen tut einen auch keiner. „They all say I'm dirty, everyone's preoccupied with the desire to squash me – buzzzzzzzzz“, singt Jon Flynn und schwenkt herzzerreißend sein weißgeschminktes Gesicht mit den schwarzen Augenbrauen und den roten Lippen, tänzelt ein paar Schritte vor und zurück und wedelt mit den dunklen großen Flügeln. Und die vielen Opfer: „Splat. There goes another friend.“
„The Vanity of Insanity“ nennt sich die neue englische One- man-Show von Jon Flynn in der Brotfabrik, und die amüsante Geschichte mit der Fliege ist nur eine von vielen. Da gibt es noch die Spionin Emma Peel – mit Schirm, Charme und Augenklappe –, die „little Lesung“ über den ungeduldig wartenden, ungeübten Kellner, der sich bei den einzigen beiden Gästen im Restaurant überlegt, was die wohl machen würden, wüßten sie von den dreckigen Fingernägeln des Kochs.
Flynn gibt sich die ganze Zeit ein bißchen wie der Conférencier von „Cabaret“ im Berlin der zwanziger Jahre – aber leider ohne Liza Minnelli. Und manchmal wird es dann doch ein wenig platt, wie in „Mango Frappe & Jolly Lollies“: „holiday in the sun, I want to lie on the beach and have fun“, auch wenn zugegebenerweise ein verregneter Freitagmorgen diesen Gedanken gerne aufkommen läßt. Immer wieder wechselt Jon Flynn sein Outfit. Das „snake-green Seventy-shirt“ wird hier mit dem Hawaiihemd eingetauscht, hinzu kommen die passenden Utensilien des „holiday fever“ – von Sonnenbrille, Plastikeis, Badehose aus dem KaDeWe bis hin zum Mexikaner-Hut.
Flynn schäkert mit dem Publikum, fachsimpelt – „it's nice to do something nice“ – und wird ab und zu ganz Brite mit zynischem Humor und schnell umschlagenden Stimmungen. Auch der Aids-Tod eines Freundes verliert so das Sakrale, rückt näher. Unglücklicherweise an ein Publikum, das fast ausschließlich aus Pressemenschen bestand und die geforderte „AP“ („audience participation“) schon deshalb nicht aufbringen konnte, weil es mitschreiben mußte – auch wegen dem Englisch und so.
Und der Showtitel, die „Eitelkeit, Einbildung der Verrücktheit“? Da hält's der Künstler mit der Hummel. Oder mit der Fliege: „It's not very nice being on the run, being a fly called Jon.“ Henriette Klose
Noch heute und morgen abend um 20.30 Uhr in der Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3, Weißensee.
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