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■ KrypTonale: Eine Raum- und Klanginstallation im ehemaligen Wasserspeicher am Prenzlauer Berg

Hohe Wände, Gewölbe und Torbögen, feuchte Kühle, manchmal sogar ein verhuschtes Fledermäuschen empfangen den Besucher der „KrypTonale“ – eine Begehung des unterirdischen Profanbaus von 1856 verleitet zum Andächtigwerden. Dabei ist „KrypTonale“ der Versuch, mit künstlerischen Mitteln zwei ehemalige Wasserspeicher am Prenzlauer Berg der Vergessenheit zu entreißen und für den Stadtteil wiederzuentdecken. Raum- Klänge, die Henry Wex, Hannes Zerbe und Dietrich Petzold eigens für den Wasserspeicher komponiert haben, beschallen die vier Rundgänge im größeren der zwei Backsteinbauten mit dahinstolpernden Klavierläufen und Violinengesang. Mancher kann dem Impuls, mit der verblüffenden Akustik zu spielen, nicht widerstehen, Summen und Brummen im Halbdunkel kommt dann nicht nur aus den Lautsprechern. Hinter jedem Torbogen im äußeren Gang starren Lichtbündel, lauern Dia-Projektionen von Kieseln, Seesternen oder Muscheln. Im nächsten Rund prangt eine Galerie von Kupferplatten, die mal wie mit dem Bunsenbrenner bemalt oder mit gekratzten und eingeätzten Spuren gestaltet wirken. Es handelt sich um Ready-mades vom Müll. Im letzten Ring liegt ein Kahn. Hat alles irgendwie mit Wasser, Musik, Kunst zu tun, oder? Zudem verleiht der an eine Krypta erinnernde Raum dem zusammengewürfelten Material die Aura eines Originals. „Das ist keine Kunst, sondern eine gewachsene Aneinanderreihung von Objekten“, erklärt die Künstlerin Grit Mikeska, die vis-à-vis des Speichers wohnt und die Rückeroberung seit über zwei Jahren verfolgt.

Immer nur 20 Menschen dürfen zugleich das Gewölbe betreten: Die neue Eingangstür ist als Fluchtweg leider zu klein geraten. Dem Raumeindruck nützt diese begrenzte Besucherzahl, für Konzerte dürfte die Tür hinderlich werden. Zu DDR-Zeiten waren die kühlen Hallen zuletzt als Fischlager genutzt worden, was man heute rein gar nicht mehr riechen kann. Eine Sammelstelle für Transporte in die Konzentrationslager gab es hier, ältere Anwohner berichten von Schreien, die in der Nazi-Zeit aus den dicken Mauern drangen. Ein Themenbereich, den diese „KrypTonale“ ausblendet, der aber in Zukunft näher beleuchtet werden sollte. Mit tatkräftiger Unterstützung des Vereins Förderband soll der Wasserspeicher, dessen millionenteure Restaurierung die Behörden bis zur Jahrtausendwende ins Auge gefaßt haben, mit künstlerischen Aktionen belebt werden. Der eigensinnige Ort wird auch kommerziellen Interessenten nicht verborgen bleiben, und solcherlei Begehrlichkeiten abzuwenden ist Förderband e.V. auf der Hut. Gemessen an der Resonanz der ersten „KrypTonale“-Tage hat sich die Arbeit bereits gelohnt. Julia Kossmann

„KrypTonale“, bis 11.9., tgl. 10–24 Uhr, Eingang Straßburger Straße; Abschlußsession mit „KrypTonale“-Mitwirkenden am 11. September, dem europäischen Tag des offenen Denkmals.

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