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SanssouciVorschlag

■ "Dogfight" von Nancy Savoca im Eiszeit-Kino

Irgendwie ist die modische Aufarbeitung der Sixties ein konservativer Irrläufer, sonst würde man zu Leberwurst-Kleidern und toupiertem Wasserstoffperoxyd wohl nicht nur ein vermeintlich wildes, liebestolles Jahrzehnt assoziieren. Die 1961 geborene Nancy Savoca hat ihre Kinderjahre offenbar anders in Erinnerung: Wie in ihrem letzten Film „Household Saints“ verspürt man auch in „Dogfight“ vor allem Erleichterung darüber, daß die Zeit jener verqueren Rendezvous vorüber ist, wo älteren Teenagern selten etwas Besseres einfiel, als jüngere Teenagerinnen mit einer Mischung aus Geilheit und Frauenhaß auf sich aufmerksam zu machen. In „Dogfight“ sind es gleich vier Rüpel von der Marine, die am Abend vor ihrem Abflug nach Vietnam einem dieser seltsamen Soldatenrituale huldigen.

Den „Dogfight“ oder „Elsen-Blues“ gewinnt traditionell derjenige, dem es gelingt, das häßlichste Mädchen auf die Tanzfläche einer speziell angemieteten Disco zu locken. Eddie (River Phoenix) bringt die verfettete und etwas verkniffen wirkende Rose (Lili Taylor) mit, die er im Café ihrer Mutter beim Joan- Baez-Lieder-Singen entdeckt hat. Auf der Damentoilette bekommt Rose von der „Gewinnerin“ die Spielregeln des Abends erklärt. Daraufhin verabschiedet sie sich mit einer effektvollen Ohrfeige von ihrem Begleiter, was der Beginn der eigentlichen, eher traurigen Liebesnacht ist. Eddie versucht sich mit einer Einladung zum Dinner zu entschuldigen, aber was er auch tut und sagt, stets haut er mit Karacho in die zarten, zu schnell erwachten Gefühle seiner neuen Bekannten. Die beiden scheinen durch ihre kurze, gemeinsame Geschichte fast wie in einer arrangierten Heirat aneinander kleben zu bleiben. Eddie kehrt bei seiner Rückkehr aus Vietnam sogleich zu Rose zurück, und man ahnt den Beginn einer Ehe, der nie ein Liebesrausch vorangegangen ist. Für die damalige Zeit dürfte so ein Schicksal diesseits und jenseits des Atlantik in der Tat verbreiteter gewesen sein als die Maxime „Wer zweimal mit derselben pennt ...“

„Dogfight“ wirkt vor allem in der deutschen Synchronfassung zuweilen hölzern, was aber auch damit zu tun hat, daß der Film unentschlossen zwischen hollywoodiöser Studioatmosphäre und New Yorker Independent-Flair hin und her schwankt. Trotzdem hat man das angenehme Gefühl, daß es Nancy Savoca in ihren Filmen nicht nur um die Variation etablierter Kinoversatzstücke geht. Savoca versucht, die Phantasiewelten von Hausfrauen als Schauplätze des klassischen Erzählkinos zu entdecken, wobei ihr die räumliche und soziale Beschränktheit zwischen Mama und Mädchenschlafzimmer zur cinematographischen Herausforderung wird. Das allein macht sie im US-amerikanischen Nachwuchsfilm zu einer bemerkenswerten Pionierin. Dorothee Wenner

Bis 15.9., tägl. 19.30 Uhr, Eiszeit, Zeughofstraße 20, Kreuzberg.

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