Sanssouci: Nachschlag
■ Berliner Compagnie spielt "Das Bankgeheimnis" im Kato
Theatermoden ist die Berliner Compagnie noch nie nachgerannt. Als sie 1982 ihr erstes Stück herausbrachte, verabschiedete sich die freie Szene bereits von der Tagespolitik. Doch die Compagnie blieb ihrem Anspruch bis heute unbeirrt treu: Einmischen will sie sich, zum Handeln auffordern. Zu kaum einem aktuellen Thema der letzten zwölf Jahre fehlt ihr Bühnenkommentar. Von Reagans Sternenkriegsplänen bis zur Asyldebatte reicht das Repertoire – thematisch immer am Puls der Zeit, theatralisch jedoch oft anspruchsseliges Aufklärungstheater für Aufgeklärte.
Auch „Das Bankgeheimnis“ ist eine Gratwanderung. Da ist zum einen Obdachlosigkeit und neue Armut als Thema. Zum anderen – und das ist neu für die Compagnie – versucht man sich an etwas offeneren Formen der Umsetzung. Die Geschichte ist eigentlich keine: Vier Pennergestalten – zwei Frauen, zwei Männer – flüchten vor der Polizei ins Theater. Es geht um die Figuren und ihre Situation. Sie spielen sich ihre Erfahrungen mit Sozialbürokratie und Staatsgewalt vor, ihre kurzen Träume von der Rückkehr in die bürgerliche Welt, ihre Vergangenheit, als sie noch mitschwammen im Strom der Zweidrittelgesellschaft. Das alles ist assoziativ aneinandergereiht, ohne dramaturgische Entwicklung. Immer wieder gehen die Schauspieler ins Publikum, auf der Bühne wechselt Realismus mit leicht stilisierten Bewegungssequenzen. Das Stück ist aus Improvisationen entstanden, seinen Bruchstückcharakter verhehlt es keinen Moment. Das spiegelt auch die Hilflosigkeit der Truppe im Umgang mit ihrem Stoff wieder. Das Dasein auf der Straße eignet sich nicht für Botschaften. Zu komplex sind die Gründe, die auf die Platte treiben. Da spielt die Sehnsucht nach scheinbarer Freiheit genauso mit wie die Unfähigkeit, sich im gesellschaftlichen Räderwerk einordnen zu können. Die Berliner Compagnie setzt allzu eindimensional auf die soziale Komponente. Alle vier Protagonisten sind im unmenschlichen Kapitalismus gestrauchelt.
Trotzdem verfällt das Stück nicht in Sozialduselei. Bisweilen stimmen die Schlaglichter. Das liegt vor allem an den Schauspielern. Da stehen weder Gossenheroen noch erbarmungswürdige Loser auf der Bühne, sondern widerborstige Kämpfer um ein eigenes Stückchen Leben. Und das bildet die Realität vor der Theatertür politisch korrekt ab. Mehr aber auch nicht. Gerd Hartmann
Täglich bis 19.9., jeweils 20.30 Uhr, Kaufhaus Kato im U- Bahnhof Schlesisches Tor, Kreuzberg
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