Sanssouci: Vorschlag
■ „Der fliegende Koffer – Eine Reise nach Ghana“: Kinder-Erlebnisausstellung im HKW
Die ausgesprochen langweiligste Idee für einen Schulausflug ist ein Besuch im Museum. Da gilt es, leise zu sein, zu zwei und zwei an den lehrreichen Gegenständen entlangzuschlendern und aufzupassen, was der verstaubte Herr mit der Schirmmütze erklärt. Ganz anders im Haus der Kulturen der Welt. Dort gibt es derzeit eine Ausstellung extra für Kinder. In „Der fliegende Koffer“ können Vier- bis Dreizehnjährige für anderthalb Stunden in ein fernes Land reisen, nach Ghana.
Und das geht gleich lustig los: Zunächst muß man natürlich hinfliegen. Dafür gibt es mehrere Reihen mit echten Flugzeugsesseln, und Kopfhörer hängen von der Kabinendecke, mit denen man ghanaische Geschichten hören kann. Zum Beispiel die von den fünf bunten Vögeln, die des Königs Vogelfutter liebend gern für sich alleine hätten, doch beim Stehlen furchtbar auf den Schnabel fallen. Aber auch die Erzählung, wie sich, vor mehr als 300 Jahren, im Westen Afrikas die Stammesfürsten in Kumasi versammelten, um ihre Völker zu einem mächtigen Reich zusammenzuschließen, das man heute Ghana nennt. Und daß damals ein goldener Stuhl vom Himmel herabgeglitten und sanft auf den Knien des zukünftigen Königs Asanta-Hene gelandet sei. So ist der Stuhl Symbol der Einheit der Fürstentümer in Ghana geworden, und der König heißt noch immer Asanta-Hene.
Wenn man angekommen sein möchte, geht man zum Zollamt, stellt sich selbst einen Paß aus und stempelt das Visum. Kleine Koffer stehen bereit, die man packen kann, ein Kofferrollband gibt es, wie beim echten Zoll, und hat man versucht, ein Krokodil außer Landes zu schmuggeln, muß man es gleich wieder auspacken. Im Land selbst gibt es jede Menge Reiseziele, die man sich aussuchen kann. Zum Beispiel den tropischen Regenwald: Bei gellendem Schimpansenschreien und Papageiengekrächz schwankt man einen dunklen Gang mit allerlei Fallstricken entlang, muß Hängebrücken überwinden und manche Faustschläge von seinem kleinen Hintermann erdulden. Ist man solcher Gefahr glücklich entronnen, scheint es eine gute Idee, mit dem Buschtaxi nach draußen zu fahren, in bereitstehende Gummistiefel zu schlüpfen (für großfüßige Begleiter allerdings etwas problematisch) und beim Bau einer Lehmhütte mitzuhelfen.
Dann gibt es noch Trommlerworkshops, ghanaische Trachtenanprobe, eine Druckerwerkstatt, wo man mit Kalebassenstempeln T-Shirts bedrucken kann, große Xylophone, sprechende Trommeln, eine Perlenwerkstatt und zwischendrin immer mal wieder Bilder aus Ghana, einen Videofilm, Landkarten und kleine Schrifttafeln. Überall sind jede Menge Kinder aufgeregt beschäftigt, erschöpfte Eltern fliegen an ziehenden Kinderhänden durch das Land, ein Lehrer ist in die Lehmhütte geflüchtet und atmet erst mal tief, tief durch.
Abb.: Ausstellungskatalog
„Der fliegende Koffer“ bringt Kindern Fernes nahe – spielerisch und ganz nebenbei. Und die ghanaischen Künstler, die die Ausstellung mit organisiert haben und hier den Kindern zum Beispiel trommeln beibringen, erzählen dann auch von der Bedeutung, die Trommeln früher als Kommunikationsmittel hatten. Ausgiebig und leicht verständlich erläutert wird die ghanaische Kultur und Tradition jedoch erst im Ausstellungskatalog. Für seine 16 Mark bekommt man außerdem, in einem Karton, eine eigene kleine Ausstellung: einen Kalebassenstempel, ein Kauholz zum Zähneputzen, Briefmarken aus Ghana, Perlen, Muscheln und eine Kakaobohne. Im Katalog wird auch erklärt, was vielleicht auch schon in der Ausstellung hätte geschehen können: Oliver, ein Junge aus Berlin, dessen Vater aus Ghana stammt, erzählt vom alltäglichen Rassismus, dem ein Farbiger in Berlin ausgesetzt ist. Auch daß es keinen Grund gibt, Schokoküsse „Negerküsse“ zu nennen, wird den potentiellen Schokoküsse verzehrenden Besuchern und Besucherinnen hier deutlich gemacht. Daß man für solche „Lehren“ den Katalog kaufen muß, ist ein kleiner Nachteil. Organisiert wurde die Kinder-Ausstellung vom Museumspädagogischen Dienst in Zusammenarbeit mit dem Verein Neues Universum, dessen langfristiges Ziel es ist, in Berlin ein Kinder- und Jugendmuseum aufzubauen. Die sechs Wochen dauernde Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt ist nur ein erster Schritt dahin. Volker Weidermann
Bis 16. 10., Mo/Di 9–15 Uhr; Mi–Fr bis 17 Uhr; Sa/So: 11–18 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee, Tiergarten.
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