piwik no script img

SanssouciNachschlag

■ Wut statt Depression: Diamanda Galas im Metropol

Die Sängerin, Performerin, Musikerin und Autorin Diamanda Galás verweigert sich dem musikalischen Mainstream. „Wirklich sinnvolle Musik ist eine Verarbeitung der Realität – und die ist normalerweise eine Tragödie“, sagt sie. Und was sie auf der Bühne singt, ist eigentlich gar nicht zu singen: Hornissenschwärme, den Angriff wildgewordener Vögel, entmenschlichtes Lachen – Wahnsinn, Trauer, Verzweiflung. Was hat man der Greco- Amerikanerin, die in einer religiös-orthodoxen Umgebung aufgewachsen ist, deshalb nicht alles schon nachgesagt: Hexenpriesterin, Satansbraut, Meisterin der Schwarzen Messe. Dies vor allem, weil sie nicht selten Bibeltexte vertont. Daß sie ihre Musik auch immer als ein politisches Statement gegen die Zerstörung des Menschen, gegen Isolation und Folter verstanden hat, kommt in den klischeehaften Festlegungen nicht mehr vor. Aber Diamanda Galás hält sich nicht an Erwartungen. Zusammen mit John Paul Jones, ehemals Bassist bei Led Zeppelin, hat sie ein Programm mit dem Titel „Sporting Life“ erarbeitet, das ihr ihre gruftigen Fans nicht danken. Auch die Led-Zeppelinschaft war bei dem Auftritt im Metropol am Donnerstag konsterniert ob der ungewöhnlichen Mischung. Denn Diamanda Galás kratzige, schrille, mehr als drei Oktaven umfassende Stimme ist als dominierendes Instrument in die Baß- und Schlagzeugarrangements eingebaut und läßt nostalgische Erinnerung an Rockmusik von früher nur schwer zu. Dabei sind ihre Themen die altbekannten dunklen Seiten der Liebe: unerwiderte Leidenschaft, Betrug.

Während sich Diamanda Galás in „Plague Mass“ oder „Judgement Day“ früher zwar kraftvoll und stimmächtig, aber zugleich tief depressiv zeigte, bricht in den Songs von „Sporting Life“ jetzt die Wut durch. Der Kampf um die verlorene Liebe ist aufgenommen. Schreiend und widerständig besingt sie die Facetten dieses Dramas. Vom tiefen „Deep in my heart, I love you so“ bis zum trotzigen „My heart is empty, but I'm free“. Eingerahmt werden ihre stimmlichen Extremerfahrungen durch die weichen Baßläufe von John Paul Jones. Das monotone Schlagzeug, gespielt von Pete Thomas – Ex-Drummer bei Elvis Costello – garantiert die rhythmische Kontinuität.

Sänger seien Volltrottel und alle Sängerinnen Huren, hieß es in Diamanda Galás' Elternhaus. Dabei leitete ihr Vater selbst einen Gospelchor. Kein Wunder also, daß Galás die Grenzen der „ungefährlichen Musik“ hinter sich läßt. Im Metropol hatte man dafür wenig Verständnis. Waltraud Schwab

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen