Sanssouci: Nachschlag
■ "Hauptstadtwechsel" - Fotografien in der Architektenkammer
Schönhauser Tor Foto: Jürgen Hohmuth
Die Zeit des Umbruchs und des Wandels ist zugleich eine des Festhaltens. Auch die Fotografien der Gruppe „ZeitOrt“ – mit Jürgen Hohmuth, Peter Oehlmann und Peter Thieme – über die baulichen und stadträumlichen Veränderungen der Berliner Mitte auf dem Weg vom Zentrum der einstigen DDR zum Mittelpunkt der neuen Hauptstadt zeigen teilweise eine nostalgische, doch keineswegs sehnsüchtige Perspektive. Das Café Lindencorso bilden sie im Abriß ab, die Karl-Marx-Allee oder der Alexanderplatz werden als überdauerte Relikte des sozialistischen Städtebaus gesehen. Die Betonschwere der Alex-Passagen oder die Lücken und Winkel in der Spandauer Vorstadt mit Graffiti wie „NOlympic City“ blitzen als ironische Selbstdarstellung einer Zeit auf, die den Hauptstadtumbau, der über diese Quartiere zu fegen droht, nach seiner Legitimation befragt.
Die Aufnahmen sprechen eine kühle und distanzierte Sprache. Die Bilderwelt ist oft menschenleer, Luftaufnahmen rücken die Aufsichten in die Ferne. Spröde und in keineswegs zu kontrastreichem Schwarzweiß folgen Abbildungen vom einstigen Mauerstreifen an der Zimmerstraße über deren Leere der Himmel über Berlin zum dominanten Hintergrund gerät. Der „Hauptstadtwechsel“, so der Titel der Ausstellung in den Räumen der Berliner Architektenkammer, ist eine harte Bilanz, eine kalte Dokumentation des keineswegs romantischen Blickes zurück in die zugigen Stadträume der sozialistischen Mitte.
Den vollzogenen Hauptstadtwechsel stellen die Fotografen manchmal mit einem simplen Kunstgriff dar. Der Blick etwa in Baugruben an der Straße Unter den Linden oder in der Friedrichstraße ist auf Farbe gebannt. Bunt, neumodisch und zugleich abschreckend kommt da die Hauptstadt daher. Gerade hier sehnt man sich doch wieder zu den schwarzweißen Dokumenten zurück, die den tiefgreifenden Wandel Berlins hervorheben und an die Dokumentarfotografien von Eugène Atget oder Georg Bartels erinnern. Hatte Atget das alte und neue Paris um 1900 mit dem Objektiv noch abgetastet wie ein Maler die Natur vor Sonnenaufgang,so zeigten die Fotos von Georg Bartels die gründerzeitlichen Umbrüche Berlins auf dem Weg zur Metropole vor dem Ersten Weltkrieg. Berlin glich einem Abrißberg und einer Baustelle. Diese Orte vermißt man ein wenig bei „ZeitOrt“. Das kann noch kommen. Rolf Lautenschläger
Bis 16.12., Berliner Architektenkammer, Mo-Mi, Fr: 11-17.30 Uhr, Do: 12-20 Uhr, Karl-Marx-Allee 78-80, Friedrichshain
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