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SanssouciVorschlag

■ Biblische Logik: "Sugar Hill" mit Wesley Snipes im Eiszeit-Kino

Man kann „Sugar Hill“ als „konventionell erzählte Geschichte mit schmalzigen Tönen, bemerkenswert vor allem wegen der Herrenmode“, elegant kurzverreißen, wie der tip es tut. Unsinnig aber ist der ebenfalls im tip geäußerte Vorwurf, das US-Mainstream-Kino wüde hier versuchen, ein schwarzes Publikum zu erreichen. Die Geschichte von Romello (Wesley Snipes) und seinem immer mehr durchknallenden Bruder – sie versuchen, in Harlem den Drogenhandel zu kontrollieren – spielt eben in einer schwarzen Nachbarschaft, und sicherlich kann man es schlecht finden, daß in Harlem, N.Y. hauptsächlich Schwarze leben, aber dem Film die Abbildung dessen vorzuwerfen, ist absurd. Mir ist die Abwesenheit von Weißen nicht einmal aufgefallen, weil sie hier eben nicht gebraucht werden. Bedrückend ist etwas anderes: Der Staat überläßt die Ghettobewohner sich selbst – sollen sie sich doch gegenseitig umbringen.

„Fear of a Black Cinema“ wird eine Reihe heißen, die, in Anspielung auf die Rapper Public Enemy, zu Beginn nächsten Jahres im Eiszeit-Kino läuft. „Sugar Hill“ ist ein Vorgeschmack darauf, ein Eigenimport des Eiszeit – der Film findet trotz US-Erfolgs in Deutschland keinen Verleih. „Sugar Hill“ erzählt, teils als Melodram, teils als klassische Gangster-Story, die traurige Geschichte einer Familie, die sich quasi von eigener Hand ausradiert. Zunächst stirbt die Mutter an einer Überdosis, der grauhaarige Vater ist sowieso süchtig, und der Haß seines eigenen Sohns wird auch ihm irgendwann zum „goldenen Schuß“ verhelfen. Als der Vater langsam den Gürtel aus seiner Hose zieht, meint man kurzzeitig, der Vater wolle den Sohn schlagen. Dann bindet der alte Mann sich damit den Arm ab. Der Sohn sieht zu, wie der Vater sich selbst hinrichtet.

Und weiter geht's bergab – nach biblischer Logik: Wenn du meinen Freund umbringst, werde ich deinen besten Freund töten. Wenn du mit meiner Frau vögelst, werde ich deine Frau blutig schlagen. Wenn schöne Menschen sich quälen und umbringen, finden wir es schlimmer, als wenn Outlaws sich bekriegen. In Sugar Hill müßen alle dran glauben, egal ob sie ein Pockengesicht haben oder einen Model-Hintern. Der Soundtrack von Terence Blanchard macht alles noch schlimmer, weil schöner. Wir meinen Miles Davis zu hören und fahren, gaaanz ruhig und langsam abwärts, in einem schwarzen Fahrstuhl zum Schafott. Andreas Becker

Sugar Hill, USA 1993. Regie: Leon Ichaso. Mit Wesley Snipes, Michael Wright, Theresa Rendle. 115 min. OF ohne Untertitel. Eiszeit-Kino, tägl 23.00 Uhr.

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