Sanssouci: Vorschlag
■ Many many voices: Ein Live-Hörspiel im HdKW
Es wird zwei Möglichkeiten geben, dabei zu sein: Am Radio, mit dem MultiKulti-Programm des SFB (4), oder im Haus der Kulturen der Welt, das mit seinem umständlichen Namen offenbar genau den Rahmen abgibt, den die Autoren des Programmes anpeilen. „Many many voices“ ist eine Montage von „in Berlin aufgenommenen Gesprächen, die sich um Schlüsselwörter drehen wie Grenze, Vaterland, Sprache, technologischer Faschismus, Deutschland und Staat“ – wie es in der Verlautbarung der Veranstalter heißt. Die Zehlendorfer Sozialdemokratie kommt wohl nicht vor, wenn ich die Sache recht verstehe.
Die Montage der Gespräche entwickelt sich parallel zu den Lyrics von Isabella Bordoni, die im Projekt „Originaltext“ genannt werden: „Lichtblitze können dort am besten/ lügen wo man am liebsten möchte, Stummfilm des/ Vergessens und des leichten Lebens“ – die englischen und italienischen Textproben lesen sich nicht leichter. Die Stimmen, heißt es, „erklingen nach einer Partitur, die als Computerprogramm geschrieben wurde“. Es wird mit Sicherheit ein sehr akademisches Experiment werden, wenn man darunter den Versuch versteht, den Kontext von geschriebener und nicht geschriebener Musik in irgendeiner Form neu zu interpretieren.
„Many many voices“ ist allerdings keine Performance, sondern ein Hörspiel – das heißt, es muß sich anders als ein Konzertmitschnitt ins Radio ohne Verluste übersetzen lassen (das kann man am folgenden Dienstag prüfen, wenn SFB 3 die Sendung, ergänzt um ein Porträt der Künstler, ebenfalls um 20 Uhr wiederholt). Das Projekt kommt von den Giardini Pensili (Hängenden Gärten) in Rimini, einer Künstlergruppe, die nun zehn Jahre besteht; sie wurde von Bordoni und Paci Dalo gegründet. Paci Dalo war im vergangenen Jahr Gast des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Hinter seiner komplexen Synthese von Quellen steht eine spannungsreiche Erfahrung mit dem, was man (ich meine zu Recht) Weltmusik nennt, unter anderem in einem Klezmer-Trio, das vorgedrungen ist bis auf die Jazzfestivals.
Das Programm des italienischen Kulturinstituts nennt unter den Musikern auch Fred Frith – laut Info vom SFB ist er wohl doch nicht dabei, statt dessen Horst Hörtner. Die anderen Musiker sind Isabella Bordoni und Anna Clementi (Gesang), Roberto Paci Dalo (Klarinette und Mischpult), Claudio Jacomucci (Akkordeon), sowie David Moss und Jean-Marc Montera in nicht näher bezeichneten Rollen. Wie immer, wenn an den Genredefinitionen geknabbert wird, fehlen die Worte: zum einen soll es eine „radiophone Oper“ sein, zum anderen heißt es ganz locker, die Musik sei „ein Set von mehr oder weniger gesungenen Liedern, inspiriert von den Werken Oreste Zevolas, in denen der Popsong zusammengeht mit dem Rap“. Paci Dalo nutze „interaktive Computersysteme – Datenhandschuhe und Sensoren – für die Sample-Kontrolle des Ensembles“, der Stimmen und Instrumente. Den Namen der Beteiligten nach zu schließen, ist keine Kopfgeburt zu erwarten. Dann schon eher echtes Chaos. Ulf Erdmann Ziegler
Sonntag, 29. Januar, 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt.
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