Sanssouci: Nachschlag
■ Ein Frühstück mit Harald Juhnke und Paul Kuhn
„Weit ist der Weg zurück ins Heimatland“ Foto: promo
Der Taxifahrer befindet sich vorm Wintergarten sowie am Rande des Nervenzusammenbruchs. „Det gloobt mir doch keener!“ behauptet er und überläßt seine Gesichtszüge der Schwerkraft. Trinkgeld hatte ihm sein letzter Kunde an diesem Morgen gegeben – und ein Billett für die Stadthalle Bielefeld dazu. Dort werden „Deutschlands Entertainer Nr. 1“ und „Deutschlands bekanntester Pianist“ am 19. Mai in der Oetkerhalle die Musik Trumpf sein lassen. Um schon heute die Sensation von übermorgen der Weltöffentlichkeit nicht weiter zu verheimlichen, traf sich, an einem unschuldigen Sonntagmorgen, die Hauptstadtpresse (B.Z. und taz) zum Hauptstadtfrühstück (Sülz-Scheibletten und hart gekochtes Ei) im Hauptstadtvarieté (Wintergarten). „Abschiedstournee verlängert! Harald Juhnke erstmals mit Paul Kuhn live auf der Bühne!“
Um elf vor elf stehen Juhnke und sein Manager vorm Wintergarten und kriegen die Tür erst nicht auf. Sie schleichen die Treppe hinauf, und Juhnke nuschelt die Losung des Tages: „Weit ist der Weg zurück ins Heimatland.“ Sein Manager preßt ein Grinsen aus dem Gesicht und hält dabei die Hand vorm Mund, als hätte sein Odol das Verfallsdatum bereits überschritten. Paul Kuhn, der Wahlschweizer, kommt eine Viertelstunde zu spät, zerknittert, ungekämmt und mit einer atemraubend gesprenkelten Krawatte, nach der man nur im Halbschlaf und im Dunkeln aus Versehen greift. Juhnke trägt übrigens einen Schlips, von dem er selber nicht weiß, ob auf ihr Tomaten oder Erdbeeren abgebildet sind. Den anwesenden Berichterstattern verschlägt es die Sprache aus zweierlei Gründen: sie sitzen bedrohlich nahe an den Sülz-Scheibletten, und man hat sie mit Konzertausschnitten des Schubidubi-Duos ruhiggestellt. Der Manager rudert mit den Armen und fleht: „Jetzt dürfen Sie Fragen stellen.“ Einem fällt eine ein: „Herr Juhnke, werden Sie für Ihren Auftritt in Braunschweig proben?“ Das war's dann auch schon. So bugsiert der Manager seine zwei Geldbringer sacht zum Klavier, wo sie für die 24 Fotografen so tun als ob. Paulchen klimpert sorglos seicht, Harald aktiviert seinen Bärenbaß und gibt Repertoire-Schnipsel zum besten. Ein besonders kreativer Blitzer bittet die beiden um Tuchfühlung: „Rückt doch mal näher zusammen!“, woraufhin Harald Paulchens linke Wange streichelt. Das irritiert den ehemaligen Chef der SFB-Big-Band bei aller Schläfrigkeit in den Augen dann doch: „Nicht doch, Harald, die denken sonst noch, wir hätten was miteinander.“ Harald grient: „Stimmt doch auch.“ Thorsten Schmitz
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