Sanssouci: Vorschlag
■ Jazz Passengers plus Debbie Harry bei den Hofkonzerten
Saxophonist Roy Nathanson, Posaunist und Sänger Curtis Folwkes und Perkussionist E. J. Rodriguez entstammen der Lounge- Lizards-Schiene; Geiger und Gitarrist Jim Nolet, Vibraphonist Bill Ware und Bassist Brad Jones machen das Sextett in Originalbesetzung tourfähig, das bereits seit über acht Jahren aufeinander eingespielt ist. Nach ihren zwei letzten CDs im Knitting-Factory-Abseits kamen die Passengers kürzlich mit einer von Hal Willner produzierten Vocal-CD, „Jazz Passengers in Love“ (High Street Records), in den Major-Vertrieb (BMG) und auf größere Festivalbühnen. Von den zahlreichen Interpreten der teils wirklich obskuren Comedy-Love-Songs, die auf dieser CD vereint sind, kommt jetzt auch eine Frau mit auf Tour, die Sie vielleicht noch als Blondie kennen, bevor sie sich zunächst aus dem Bühnengeschäft zurückzog: die Sängerin Debbie Harry.
Die Jazz Passengers, das läßt der Name schon erwarten, hören sich an wie eine Reise im Hochgeschwindigkeitszug durch die Traditionen des amerikanischen Nachkriegsjazz – swingend, boppend, free, gebrochen. Keine lähmenden Grenzkontrollen, keine zeitraubenden Stopps an verschlafenen Provinzbahnhöfen, keine Umwege auf Nebengleisen. Wer hier zuzusteigen gedenkt, sollte seinen Dickschädel zuvor anderen Transportunternehmen anvertraut haben. Die Jazz Passengers jedenfalls scheinen die angestaubten John-Lurie-Bänder tatsächlich schon längst gegen die unverwüstlichen John-Coltrane- und Ornette- Coleman-Scheiben eingetauscht zu haben, wie sie es auch selbst behaupten. Wer es dennoch anrüchig findet, daß auch ein Pausengeplapper schon Jazz sein soll, oder wer auch weiterhn glauben möchte, daß ein Coltrane-Zitat sich so gar nicht mit Klezmer- Gefiedel verträgt, der sollte diesem Zug keinesfalls hinterherrennen. Wer wissen will, wie es fernab jedes modrigen Mainstreams um den Jazz bestellt ist, wer mit schmunzeln kann über die Geschichten von Männern, die 58 Wochenstunden schuften und ein Haus ihr eigen nennen, wer vielleicht immer noch hofft, daß zeitgenössischer Kammerjazz auch den Hörern Spaß bringt, den erwartet jetzt der Druckausgleich. Christian Broecking
Heute, 20 Uhr, Podewil, Klosterstraße 68-70, Mitte
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