piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ Luftbilder, Kirschkerne und Keramik in der Galerie Maaß

Fast jeden Tag bleiben Hunderte, manchmal Tausende Besucher im Grünen Gewölbe in Dresden bewundernd vor einem Kirschkern stehen, in dessen Oberfläche Porträts geschnitzt sind. Für Tanja Zimmermann ist dieser Kern Kindheitserinnerung. In Dresden aufgewachsen, war sie eine seiner größten Bewunderinnen. Das einfache Material und die Kunstfertigkeit hatten es ihr angetan. Ihre Ausstellung in der Berliner Galerie Wilfriede Maaß nennt sie deshalb „Kirschkernkette“.

Handgeformte, -geprägte und lackierte Keramikstäbe hat sie wie Kirschkerne mühevoll auf einer Kette aufgezogen und mit ihnen ein „Luftbild“ unter die Decke der Galerie gemalt. Da hängt es nun wie ein bezwungenes Mobile, festmontiert an Decke und Wand. Doch die Struktur des Arrangements, die zerbrechlich wirkenden Stäbe und die Durchblicke versetzen die Skulptur in eine Art Schwebezustand. Leichtigkeit verbreiten auch ihre Papierarbeiten, Gouachen und Collagen, die an den Wänden hängen. Schwankend und taumelnd hält eine große Fensterrose ihre Balance auf zwei staksigen Rundbögen. Schwarze Konturen eines Hakenkreuzes zerlaufen im tiefdunklen violetten Lichtschein der Kirchenrosette, und große, weiße Papierfetzen stützen das wankende Konstrukt ...

Spontaneität, die Unmittelbarkeit von Gefühlsausbrüchen scheint Tanja Zimmermann in ihren Arbeiten festhalten zu wollen. Daß viele ihrer Collagen in einem langen Prozeß entstehen, will man kaum glauben. Das Mühen, das Ringen, das hinter den Werken steckt, ahnt man vielleicht dort, wo sich eine Farbschicht über die andere legt, wo die Bilder mit ihren reinen bunten Farben immer dunkler werden, wo aus der nackten eine rote Frau wird, die, auf der Ecke eines Spiegels sitzend, beinahe keusch ihren Rücken betrachtet. Es war schon immer ein Charakteristikum von Kunst, solcherart Anstrengung hinter scheinbarer Leichtigkeit und Skizzenhaftigkeit zu verbergen und sie dennoch sichtbar zu machen. In dieser kleinen Ausstellung sieht man, wie Tanja Zimmermann das gelingt. Petra Welzel

„Kirschkernkette“, bis 29.7., Mi., Do., Fr. 14–19, Sa. 14–18 Uhr, Galerie Wilfriede Maaß, Schönfließer Str. 21, Prenzlauer Berg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen