Sanssouci: Rundumschlag
■ Einkaufen, Folge 11: Markentreue leben! Ein Plädoyer für Milram-Frühlingsquark und Minol-Pirol
Eine der schlimmsten Bedrohungen des Konsumenten ist bekanntlich die Produktpiraterie. Gefälschte Lacoste-Hemden oder Levi's Jeans mit orangefarbenem Fähnchen an der linken Arschbacke sind eine Sache. Kopierte Supermarktprodukte die andere. Und da hört der Spaß auf. Immer wieder gern nachgemacht und doch nie erreicht zum Beispiel wird Frühlingsquark. Mit plumpen Namens- und Farbähnlichkeiten versucht die Milram-Konkurrenz Kasse zu machen.
Abbildung: hier und dort
Wohl nie wird meine Mutter das Donnerwetter vergessen, als sie mir bei einem Besuch daheim „aus Versehen“ Frühstücksquark zum Frühstück servierte. Die Packung erscheint im gewohnt grün-weißen Gewand, ist aber viel billiger als das Original: 99 Pfennig für 200 Gramm. Es gibt sicherlich Produkte, die relativ leicht zu fälschen sind, Salz oder Glühbirnen etwa. Frühlingsquark indes gehört nicht dazu. Ganz merkwürdig wird's auch beim Bier. Reichelt bietet neuerdings sein „Reichelt Pilsener“ in einer Bügelverschlußflasche an. Und obwohl ich immer wieder gern Biermarken mit nach Hause nehme, die ich noch nicht kenne, habe ich vorm „Reichelt Pilsener“-Testtrinken doch irgendwie Angst.
Obskur wird die Produktpiraterie, wenn der Kunde herausbekommt, in welcher Fabrik das Zeug von A & P, T.I.P., Die Weißen oder was weiß ich welcher Billigfirma hergestellt wird. Auf den Packungen wird das natürlich nicht umsonst verschwiegen. Irgendwie sollen wir's ahnen, aber eben doch nicht wissen. So bin ich mir zum Beispiel sicher, daß Reichelt-Kaffee identisch mit dem von Melitta ist. Schließlich werden beide in der Werbung brüderlich nebeneinander abgebildet – gerade so als wollten sich die eckigen Packungen am liebsten umarmen (das könnte aber nur die immer etwas zu fröhlich lächelnde Kaiser's Kaffeekanne).
Ganz sicher von Bahlsen sind viele Beste-Produkte, wie Chips oder Salzstangen. Das ergaben Testessen mit verbundenen Augen, die wir regelmäßig in der Schule durchgeführt haben. Um solchen Aufwand und das Risiko von Fehlkäufen zu minimieren, wäre es toll, mehr Leute „in der Produktion“ zu kennen, die einem Hinweise geben könnten, welche Markenprodukte nachts heimlich in unscheinbare Tüten gefüllt werden. Eine Freundin sagt mir gerade am Telefon, Le Tartare sei unfälschbar lecker. Auch die designmäßig geschickt nachgeahmten Sechserplastikpacks bei Aldi schmecken nicht so.
Billiger, aber eben doch nicht ganz „der Echte“! Foto: taz-Kühlschrank
Für den Durchschnittskonsumenten gar nicht mehr zu verstehen sind „Marketingstrategien“ wie die des französischen Ölkonzerns Elf. Dieser hat vor zwei oder drei Jahren die DDR-Tankstellen-Kette Minol übernommen. Aber statt voll auf Ostalgie zu setzen, hält irgendein weltfremder Franzose in der Berliner Elf- Zentrale daran fest, den Namen Minol von der Landkarte zu tilgen. Manche Stationen sind inzwischen zu Elf-Minol-Zwittern geworden.
Wenn schon der bei DDRlern beliebte Minol-Pirol nicht wieder auftaucht, sollte Elf wenigstens seine regelmäßigen Dankanzeigen für die Formel-1-Siege von Werbepartner Michael „Schumi“ Schumacher ändern. Denn obwohl in Brandenburg so viel getankt wird, daß das Land den ersten Platz in der Todesliste verunglückter Autofahrer einnimmt, wird der Name Minol in den Anzeigen nicht einmal erwähnt. Dabei fährt Schumacher doch auch für Ostdeutschland. Damit die Werbefuzzis (Atomtestgegner, tankt nicht beim Franzosen!) bei Elf endlich auf Trab kommen, hier zwei kostenlose – zugegebenermaßen noch nicht ganz ausgefeilte – Reimvorschläge für eine Minol-Kampagne. Nummer eins: Auch Schumi fährt am liebsten oben ohne, / die Bullen kratzt das nicht die Bohne. Nummer zwei: Krachst du mit Vollgas in die Bäume, / nimm Minol, das verbleit dir auch die Träume. Ähem.
Und das sei einigen Managern noch ins Stammbuch geschrieben: Wer Markentreue fordert, sollte diese auch vorleben. Produktpiraten verfolgen und selber unter falscher Flagge segeln, das paßt irgendwie nicht zusammen. Andreas Becker
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