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SanssouciVorschlag

■ Die Filme und Videos von Björn Melhus im Arsenal

Judy-Garland-Karaoke: Björn Melhus in „Weit weit weg“

Wer ist Dorothy? In Björn Melhus' Kurzspielfilm „Weit weit Weg“ hat sie ein neongelbes Handy, eine propellerartige Haarschleife und einen lustiggrünen Spielanzug mit leuchtend gelbem Namenszug. „Dorothy“ steht da, und „Dorothy! Ich heiße Dorothy!“ wiederholt das Geschöpf wie eine Platte mit Sprung. Experimentalfilmer und Dorothy-Darsteller Melhus nennt seinen Film ein „Telekommunikationsmärchen über die Ferne, das Fernsprechen und den Telekörper, die Einsamkeit und die Nichtkommunikation“. Tatsächlich ist „Weit weit weg“ eine Art Judy-Garland-Karaoke – all die traurigen Worte, die Dorothy in ihr Handy haucht, stammen aus dem Musical „The Wizard of Oz“. Erwartungsvoll hält „Dorothy“ Zwiesprache mit dem Testbild ihres Fernsehers, wünscht sich „hinter den Regenbogen“ oder spricht ins eigene Echo: „Hallo! Hallo! Hallo! Hallo!“ Aber die Kiste spuckt nur Talking Heads, Krissel und Katastrophen aus. Dem einsamen Schlüsselkind vor dem TV-Gerät bleiben nur Fury, Flipper, Lassie und die anderen.

Ähnlich unterhaltsam, gelegentlich entnervend benutzt Melhus, Filmstudent an der HBK Braunschweig bei Birgit Hein, das Mittel der Wiederholung in „America Sells“. Der siebenminütige Clip wurde am 1. Juli 1990 am Alex gedreht: Wildgewordene amerikanische CheerleaderInnen machen bein- und hüftschwingend Agitprop für die Marktwirtschaft. Im Stil von Verkaufs- Shows sollen T-Shirts unters just von der Währungsunion geeinte Volk gebracht werden. „Versteht ihr, was billig ist?“ fragt ein singender Vorturner. So wird „America sings“ zu „America Sells“.

Noch fünf weitere Kurzfilme zeigt das Arsenal als kleine Melhus-Werkschau. Darunter „Ich weiß nicht wer das ist“, ein fiktives Video-Selbstporträt, das wie „Weit weit weg“ divergierende Selbstbilder per Bildschirm kommunizieren läßt. „Ich muß Wacholderbeeren pflücken“, sagt die eine Hälfte, „ich geh mich rasieren“, sagt die andere. Gudrun Holz

Björn Melhus: „w.e.r.k.sch.a.u. 1986–1995“, heute, 21 Uhr, im Arsenal, Welser Straße 25

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