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■ The Shamen im WMF

Bedächtig: The Shamen Foto: Jürgen Teller

So richtig berühmt sind The Shamen aus zwei Gründen: Einmal weil sie mit „Pro-Gen“ (den meisten wird die Zeile „Move Any Mountain“ das Aha-Erlebnis bescheren), eine der Hymnen der Rave-Generation Anfang der Neunziger produzierten. Zum anderen, weil sie eine gewisse Tragik umgibt durch den Unfalltod eines ihrer beiden Soundtüftler auf den Kanaren im Mai 1991. Insgesamt stehen The Shamen allerdings für ein Jahrzehnt britischer Popmusik, auf deren unterschiedlichen Wellen sie durchgängig mitsurften: Mitte der Achtziger waren sie eine scheißnormale Gitarrenband, die voller Hoffnung und Zuversicht meinte, auf den Trümmern von C-86 den schönsten und psychedelischsten Song ever zu errichten. Das erwies sich als Sackgasse; erst als Acid House und Rave groß waren auf den Inseln, mischten auch The Shamen ordentlich mit, relaunchten wie andere mäßig originelle Gitarrenbands (The Beloved, Soup Dragons, Primal Scream) ihre alten Songs in neuem, Housemusic-durchtränkten Dance-Gewand und wurden der historische Act, als den man sie heute betrachtet. Als niemand mehr dem Hype glauben wollte, erwischte natürlich auch sie der Post-Rave-Kater, der Tod von Will Sin tat ein übriges. Doch Colin Angus, der Gründer der Band, machte weiter und produzierte später mit „Ebeneezer Goode“ oder „Boss Drum“ noch Hits, wie sie im Buche standen.

Mittlerweile ist Bedächtigkeit eingekehrt, und die wichtigste Frage in diesen Tagen heißt Pulp oder Blur oder Jacko. Und da hieße es eigentlich auch für The Shamen, zurück zu den (Rock)- Wurzeln zu kehren, was jedoch nicht in Angus' Sinne ist: Mit „Axis Mutandis“ hat er vor kurzem ein neues Album eingespielt, das er selbst als „Adult oriented Pop“ bezeichnet; das sich zwar sehr professionell in seinem gezielten Abliefern von radiokompatiblen, „Shamen-typischen“ Hits anhört, jedoch überladen wirkt mit haufenweise pseudofuturistischem Soundschnickschnack und ziemlich daneben geraten ist mit dem Versuch, sich eine Ideologie als „Informationsband“ zu basteln, die im Internet genauso zu Hause ist wie in den Mythen alter Kulturen mit Lebensbäumen und anderem Zeugs. Gerrit Bartels

Heute abend, ab 22 Uhr im WMF, Burgstraße 29.

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