piwik no script img

SancoussiVorschlag:

■ Howard-Hawks-Reihe im Kino „Notausgang“

Sich mal wieder richtig schlapp zu lachen ist sicher nicht die schlechteste Art, ein neues Jahr zu beginnen. Besonders dieses. Eine ausgesprochen gute Gelegenheit dazu bietet sich diesen Monat im Kino „Notausgang“, das ja bereits seit Jahren die große amerikanische Komödie der dreißiger bis sechziger Jahre hegt und pflegt. Diesmal zeigt man an der Vorbergstraße eine kleine Reihe mit Filmen von Howard Hawks, bis auf eine Ausnahme crazy comedies vom Feinsten. Hawks, Altmeister aller Klassen und Genres, schrieb die Geschichte des Films und Hollywoods von Anfang an mit, drehte routiniert und funktional so verschiedene Klassiker wie „Scarface“, „The big sleep“, „Leoparden küßt man nicht“, „Rio Bravo“ oder „Hatari“. Als dreimal verheirateter Maschinenbauingenieur, der nebenbei mit einem selbstkonstruierten Rennwagen im renommierten Indianapolis Preise gewann, brachte er drei stilbildende Eigenschaften in seine Filme ein: Abenteuerlust, Schnelligkeit und viel Erfahrung im ebenso amüsanten wie zerstörenden Kampf der Geschlechter. Im Mittelpunkt der Reihe steht denn auch das komödiantische Kleinod „Napoleon vom Broadway“, in Deutschland das erste Mal im Kino zu sehen. Der Schnellzug des Originaltitels „Twentieth Century“ gibt die Geschwindigkeit vor. Rasend und mitreißend erzählt Hawks vom Schmierenproduzenten Jaffe (John Barrymore), der die Provinzpomeranze Mildred Plotka zum Star Lily Garland (Carol Lombard) macht, sie an Hollywood verliert und dann, dem Bankrott nahe, mit allen Tricks versucht, sie für sich und sein Theater zurückzugewinnen. Die überschnappenden, ineinander verschachtelten Dialoge beschleunigen das zwerchfellreizende Tempo, das man jedem deutschen Regisseur mit Comedy-Ambitionen einmal wöchentlich um die Ohren hauen sollte [& das ist noch viel zu wenig! d. säzzer], und John Barrymore treibt die Schmierenspielerei mit viel Lust zur Selbstverarschung auf die Spitze der Illusion: das Theater, das Appartement, der Zug, alle Orte des Films geraten ihm zur Bühne.

Vier Jahre später, 1938, hatte Hawks seine Stilmittel perfektioniert. In „Leoparden küßt man nicht“ fehlt einem knöchernen Biologie-Professor scheinbar nur noch ein Dinosaurier-Knochen zum Glück. Aber eine schöne junge Dame überzeugt ihn im Laufe vieler Katastrophen, daß das Glück doch viel lebendiger und erotischer ist. Nicht ganz so elegant wie Billy Wilder, nicht ganz so präzise wie Lubitsch erzählt Hawks die Geschichte einer Erniedrigung und Läuterung aber ebenso radikal und zynisch. Schon allein der kindlich-aufrechte Tolpatsch Cary Grant und die unglaublich kraftvolle Katherine Hepburn bringen den Film zu einer selten erreichten atemlosen Dichte.

Ebenso temporeich, aber noch radikaler ist „Sein Mädchen für besondere Fälle“ (His Girl Friday). Im Originalbühnenstück versucht ein Zeitungsredakteur, seinen wegen Heirat scheidenden Starreporter mit schlimmsten Mitteln doch noch an sein Blatt zu binden. Unter dem Titel „The Front Page“ wurde der Stoff von Lewis Milestone und von Billy Wilder verfilmt, aber Hawks setzte noch einen drauf: Der Reporter ist eine Frau, der Redakteur ihr Ex-Ehemann. Für Hawks waren Politiker „die schleimigsten und schmutzigsten Menschen, die es auf der Welt gibt“, und so demontiert er sie hier mit boshafter Lust.

Eher niedlich wirkt dagegen die sattsam bekannte Musikkomödie „Blondinen bevorzugt“. Amüsant, aber gröber und konventioneller dürfen zwei Tingeltangel-Sexnudeln, die eine nymphoman, die andere diamantengeil, nach vielen Turbulenzen den Mann ihres Lebens angeln, obwohl Marilyn Monroe doch feststellt, daß Diamanten immer noch die besten Freunde sind.

Daß Howard Hawks auch in anderen Filmen dicht und spannend gute Stories in Szene setzen konnte, zeigte sich in „Haben und Nichthaben“. Der Urstoff von Hemingway, das Drehbuch von William Faulkner und das Traumpaar Bogart/Bacall boten beste Voraussetzungen mit der Geschichte des Menschenschmugglers Morgan, der sich vom eigennützigen Kleingangster zum Unterstützer der franzöischen Widerständler läutert, sogar an den Erfolg von „Casablanca“ anzuknüpfen. Und bekanntermaßen knisterte es bei dem knurrigen Bogart und der debütierenden Lauren Bacall nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. araa

„Napoleon vom Broadway“: Bis zum 31. Januar, Sa-Di, 20.15 Uhr in deutscher Fassung, Mi-Fr., 20.15 Uhr OmU; „Sein Mädchen für besondere Fälle“: 15.-17.1., 18.00 und 22.30 Uhr, „Haben und Nichthaben“: 25.-28.1., 18.00 und 22.30 Uhr. „Leoparden küßt man nicht“: nur noch heute, 18.00 und 22.30 Uhr im Notausgang, Vorbergstraße 1, Schöneberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen