■ Vorschlag
: San Francisco - literarisches Porträt in der Pankower Literaturwerkstatt

Es ist ziemlich europäisch und wesentlich gemütlicher als Los Angeles oder New York: San Francisco gilt als Künstlertreibhaus für Ostküstengeschädigte. Alan Kaufman, Ex-New-Yorker und Spoken-Word-Poetry-Spezialist hat ein literarisches Städteporträt für die Pankower Literaturwerkstatt zusammengestellt. Sein Job war knifflig, mußte er sich bei der Auswahl doch haufenweise mit Tradition herumschlagen: Der Autor des ersten von einem Ureinwohner San Franciscos publizierten Romans war Journalist; mit dem Goldrausch wurde die Stadt zur literarischen Hochburg der Westküste. Mark Twain versteckte sich hier vor dem Bürgerkrieg, und von den diversen Künstlerkolonien waren die Beatniks bloß am notorischsten. Den Spoken-Word-Poeten der Gruppe „The Barbarians“, aus deren Umfeld einige der Festival-Autoren kommen, geht es nicht mehr darum, beatmäßig Krach zu machen. Sie betonen den Performance-Charakter von Dichtung: Man kann ihre Arbeiten zwar einfach auch lesen, aber dann machen sie weniger Spaß.

Alan Kaufman wird sich am Dienstag mit einem als Hommage an Walt Whitman konzipierten Langgedicht vorstellen, die Jongleuse und Schriftstellerin Sara Felder heute einen (vielleicht politisch ein bißchen zu korrekten) Text über eine jüdisch-lesbische Heirat aufführen; am Mittwoch steht mit David Lerner ein Mitbegründer der „Barbarians“ auf dem Programm. Ob die Prosa-AutorInnen Maxine Chernoff und Fenton Johnson am Donnerstag ihre Prosatexte einfach nur lesen, habe ich vergessen zu fragen.

Zwei Dinge sind schade: Bahnbrechende, innovative Texte werden auf dem Festival nicht angeboten. Dabei ist San Francisco an der Peripherie von Silicon Valley mit seiner Netzkultur mehr als nur Gegenpol zum effizienzbesessenen Osten. Und es wundert auch, daß zugunsten des Spoken-Word-Schwerpunkts andere Aspekte der Literaturszene San Francisco außen vor bleiben. San-Francisco-Fans, die nach Pankow pilgern, um zu erfahren, was für literarische Blüten die wichtige asiatisch-amerikanische oder hispanische Szene treibt, werden nicht bedient. Friederike Freier

„If you are going to San Francisco“, mit Sara Felder, Josh Kornbluth (4. 11.), David Meltzer, Alan Kaufman (5. 11.), Vampyre Mike Kassel, David Lerner (6. 11.), Maxine Chernoff, Fenton Johnson (7. 11.), 20 Uhr in der Literaturwerkstatt, Majakowskiring 46/48.