Sächsischer Kultusminister tritt zurück: Schluss mit Bildungsmusterland
In Ostsachsen können die Grundschulen gerade noch funktionieren, doch Geld für mehr Lehrstellen gibt es nicht. Nun ist Sachsens Kultusminister zurückgetreten.

BERLIN taz | „Sachsen braucht ein erstklassiges Bildungssystem. Von dem scheint man sich in Sachsen zu verabschieden“, sagt der am Dienstagabend zurückgetretene bisherige Kultusminister Roland Wöller (CDU).
„Man“, damit meint Wöller offenbar Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Finanzminister Georg Unland und Teile der CDU-Fraktion. Hintergrund seines Rücktritts ist der Streit über einen bedingungslosen Sparkurs im Freistaat, der dringend notwendige Lehrereinstellungen verhindert.
Schon bis 2015 scheiden etwa 4.000 Lehrer altersbedingt aus dem sächsischen Schuldienst aus. Ein im Dezember 2011 auch von Wöller mit geschnürtes „Bildungspaket“ sah nur 2.200 Neueinstellungen vor. Die Kosten dafür hätte das Kultusressort mit 106 Millionen Euro fast zur Hälfte selbst erbringen müssen. In seiner Rücktrittserklärung spricht Wöller deshalb von einer faktischen Kürzung seines Etats, die im Ergebnis zu einem Lehrerstellenabbau führe.
Im Kabinett war Wöller gerüffelt worden, als bekannt wurde, dass er eigenmächtig 300 Lehrer über den Stellenplan eingestellt hatte. Ende Februar verfügte die Landesregierung einen Einstellungsstopp für alle Landesbedienstete. Ausnahmen müssen der Ministerpräsident und sein Stellvertreter genehmigen.
Wöller ist aber nicht nur ein Opfer des brutalen Sparkurses, sondern auch des Kampfes aller gegen alle in Regierung und in den regierungstragenden Landtagsfraktionen von CDU und FDP geworden. Spätestens seit Sommer vorigen Jahres meldet sich neben den Lehrerverbänden und der Opposition auch der langjährige bildungspolitische Sprecher der CDU, Thomas Colditz, eindringlich zu Wort und fordert angesichts wieder steigender Schülerzahlen ein Umsteuern in der Personalpolitik. In Ostsachsen kann die Grundschulversorgung schon jetzt nur noch mit einem Notprogramm aufrechterhalten werden.
Statt in Colditz einen Verbündeten zu sehen, schnitt der ehrgeizige Wöller den über Parteigrenzen hinaus anerkannten Bildungsexperten, um es vorsichtig zu formulieren. Die CDU-Fraktion, seit Biedenkopfs Zeiten an Ergebenheit gegenüber der Staatskanzlei gewöhnt, ließ auch Unterstützung und klare Worte vermissen. Nun will Wöller nicht mehr dafür Verantwortung tragen, dass das sächsische Bildungssystem „nach unten gefahren wird“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Treffen in Riad
Russland und USA beschnuppern sich vorsichtig