Sabine Christiansen und Daimler-Benz: Die Botschafterin
In mageren Zeiten verdienen Journalisten gerne mit PR hinzu. Das geht der ehemaligen Polittalkerin Sabine Christiansen nicht anders. Verboten ist das nicht, aber ganz schön pfui.
Sabine Christiansen ist eine "freischaffende und unabhängige Journalistin und Moderatorin". So sieht sie das zumindest selbst, und so hat sie es dem Fachdienst epd medien geschrieben auf dessen Frage, wie sie es denn nun mit der Zusammenarbeit mit der Daimler-Benz AG halte, für die sie "einige Moderationen oder Interviewauftritte bei Veranstaltungen" übernimmt. Denn für den Autokonzern ist sie, in den Worten ihres Anwalts, "seit Ende 2008 gelegentlich als Markenbotschafterin tätig", macht also nichts anderes als Werbung, PR, Gutwetter.
Sabine Christiansen genießt außerdem trotz nicht immer überzeugender Moderationsleistungen bei "Christiansen" ein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit und einige Prominenz, was sie wiederum dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und vor allem dem NDR verdankt, der sie groß gemacht hat: als "Tagesthemen"-Moderatorin und später als First Lady des deutschen Polittalks. Jetzt zahlt Daimler-Benz für diesen guten Ruf.
Bitte keine Missverständnisse! Das ist nicht verboten. Sondern nur pfui, und in der Sicht der Beteiligten - mit Ausnahme vielleicht des NDR - natürlich nicht mal das: Schließlich seien die Christiansen-Auftritte vor allem bei Daimler Charity Events geplant, so ist zu hören.
"Journalisten machen keine PR", postuliert die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (der der Autor dieser Zeilen übrigens angehört). Dort gibt es deswegen immer Krach mit JournalistInnen, zumeist ebenfalls freischaffenden und unabhängigen: Diese argumentieren glaubwürdig, sie kämen bei der aktuellen Zahlungsmoral und Auftragsfreudigkeit der Medienunternehmen ohne PR-Zubrot nicht über die Runden. Und fast alle von ihnen eint: Sie sehen das Problem, journalistische Unabhängigkeit und PR-Abhängigkeit unter einen Hut zu bringen, und würden am liebsten auf die PR-Nebentätigkeit verzichten, wenn sie denn nur könnten.
Sabine Christiansen und auch viele andere hochbezahlte Top-"JournalistInnen" wie Jauch, Beckmann und Kerner könnten sehr wohl - und tun es nicht.
Auch das ist nicht verboten, zumal es ihnen private wie öffentlich-rechtliche Sender verdammt leicht machen: Bei der ARD müssen beispielsweise sogenannte programmprägende freie Mitarbeiter anzeigen, wenn sie sich gewinnbringend nebenbei als Reklamepuppe verdingen. Natürlich kann der TV-Kanal auch schon mal nein sagen, aber solange die Werbetätigkeit nicht im Zusammenhang mit dem Inhalt der Sendung steht, ist meist alles in Butter.
Der Fall Sabine Christiansen ist dabei vielschichtig gelagert: Sie hat am 11. Januar mit mauem Erfolg ihren Jahresvorausblick "Mein 2008" für die ARD produziert (mit ihrer Produktionsfirma TV 21) und moderiert (höchstselbst). Zu Gast der vom NDR verantworteten Sendung waren unter anderem - und von der Gästeredaktion in Absprache mit dem NDR eingeladen - Daimler-Chef Dieter Zetsche und ein gewisser Tom Blades, Geschäftsführer der Biodiesel-Firma Choren Industries, mit der wiederum Daimler verbandelt ist. Da war sie noch keine Botschafterin des "Guten Sterns auf allen Straßen" (alter Mercedes-Slogan), sondern erst gut zwei Wochen später, bei der Mercedes Fashion Week, bei der sie auch den dort präsentierten neuen CLC bestieg. Oder Mitte Februar, als sie sich bei den von Daimler initiierten Laureus Sport Awards tummelte. Alles ganz sauber! Denn bevor der neue Job anfängt, beschäftigen sich so wichtige Menschen wie Christiansen bestimmt nicht damit. Haben die gar keine Zeit zu.
Denn sie macht weiter Fernsehen: für den US-Finanzkanal CNBC, der auch in Deutschland zu empfangen ist, produziert sie mit ihrer TV 21 die Talkrunde "Global Players". Bei den globalen Mitspielern ging es am 24. Februar unter dem Titel "Good Sports - How Games can Score Change" um - die Laureus Sport Awards. Als Gast dabei - Daimler-Chef Dieter Zetsche.
Doch Vorsicht mit zu viel Empörung! Selbst wenn es sich hier um Produkt- oder Themen-Placement handeln sollte: In den USA ist so etwas zulässig. Und kommt auch nach Europa. Nach der neuen EU-Richtlinie für Audiovisuelle Medien, die ab dem Jahr 2009 neue Spielregeln fürs Fernsehen aufstellt, ist Product Placement dann erlaubt - solange es nicht im Kinderprogramm oder in Informationssendungen stattfindet. Von Information kann bei Christiansens TV-Abenteuern zum Glück keine Rede sein. Und unbewusst wegweisend hatten ja einst sogar die ARD-Granden Christiansens Polittalk ausdrücklich nicht den ARD-Chefredakteuren unterstellt - sondern in die Unterhaltungssparte einsortiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles