SYRIEN: EIN DISSIDENT POSITIONIERT SICH GEGEN ASSAD : Noch ist die Opposition nicht vereint
War Syriens Staatschef Assad persönlich in die Ermordung des antisyrischen libanesischen Expremierminister Hariri verwickelt? Das Interview, das der ehemalige syrische Vizepräsident Chaddam aus Paris gab, ist eine weitere Breitseite für das syrische Regime und Assad selbst. Der Druck auf Damaskus steigt weiter. Nach der UN-Kommission zur Aufklärung des Hariri-Mordes kritisiert nun auch ein hochrangiger Dissident aus den eigenen Reihen den Augenarzt in Syriens Präsidentenamt.
Chaddams Interview und sein bereits angekündigtes Buch werden der Opposition, aber auch dem Westen als Fibel für den Machtwechsel in Damaskus dienen können. Chaddam war lange Zeit ein aktiver, zum Schluss jedoch nur noch beobachtender Teil der Macht in Damaskus. Er hat viele Insiderinformationen und weiß über die Schwächen, Stärken, die schwarzen Löcher und die blinden Flecke des Systems. Auch hat Chaddam noch treue Anhänger und Seilschaften in Syrien.
Arabische Medien suggerieren bereits, dass ein Schulterschluss der alten Garde im Exil bevorstehe. Als deren Spitze galt bisher General Hikmat Shihab, der in den USA lebt. Chaddam wiederum hat jetzt erst einmal seine Opposition zu Assad öffentlich dargelegt. Er scheint noch nicht Teil der Opposition zu sein, er kritisierte bis vor kurzem von innen. Nun wird er allerdings nicht mehr nach Damaskus zurückkehren können. Seine Familie sei auf dem Weg in die französische Hauptstadt, wolle aber nach Syrien zurückkehren, so Chaddam im Interview – dies ist nun wohl unmöglich.
Wird neben dem spanischen Marbella, wo der gleichfalls exilierte Bruder des syrischen Präsidenten lebt, nun Frankreich der wichtigste Ort der syrischen Opposition? So weit ist es noch lange nicht, weil es noch keine vereinigte syrische Opposition gibt. Aber für viele politische Akteure ist es verlockend, nun eine Front im Exil mit Chaddam an der Spitze aufzubauen. Anders als Dschalabi, ein unzuverlässiger irakischer Emigrant, der nach Saddams Sturz kurzzeitig das politische Machtvakuum im Irak hätte füllen sollen, präsentiert sich Chaddam der syrischen und auch der westlichen Öffentlichkeit als ein erfahrener Politiker aus dem Zentrum der Macht.
Assads Führungsschwäche, seine Abhängigkeit von Beratern und die mangelnde Kontinuität werden auch von Politikern und Apparatschiks in Syrien kritisiert. Chaddam ist kein Dschalabi, aber ob er aus Paris so triumphal nach Syrien zurückkehren wird wie einst Khomeini in den Iran, ist ungewiss. Strategisch aber hat er sich ausgezeichnet positioniert. BERNHARD HILLENKAMP