SUSANNE KNAUL ÜBER DIE VORGEZOGENEN NEUWAHLEN IN ISRAEL : Demokratie in Gefahr
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gibt sich gern als der einzige relevante Politiker für das höchste Regierungsamt. Herausragende Köpfe hat die Parteienlandschaft Jerusalems schon lange nicht mehr zu bieten. Da ist kein Ben-Gurion und keine Golda Meir, die dem Likud-Chef Paroli bieten könnten.
Kopfschmerzen dürfte Netanjahu die Suche nach Wahlkampfthemen bereiten. Die wahlmüden Israelis sind mit Parolen nicht mehr zu locken, weder mit dem Iran noch mit dem brachliegenden Friedensprozess, was nicht allein an Netanjahu liegt, sondern auch an Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Für die Wechselwähler wird es um die eigene Geldbörse gehen. Ihre Stimme geht an den, der glaubhaft Preiserleichterungen verspricht. Finanzminister Jair Lapid hat wenig erreicht. Unterm Strich sind die Lebenshaltungskosten weiter gestiegen. Wie kein anderer Politiker fürchtet Lapid jedoch den steigenden Unmut vor allem in Europa über die starre Haltung Jerusalems im Friedensprozess. Strafmaßnahmen seitens der EU gegen Siedlerprodukte oder Sanktionen einzelner EU-Staaten würden sich auf die Preise in Israel niederschlagen. Der Friedensprozess spielt im Wahlkampf also nur eine indirekte Rolle. Ein Sieg der um die Wirtschaft besorgten Pragmatiker könnte die letzte Chance sein für die Zwei-Staaten-Lösung.
Sollte sich Netanjahu erneut durchsetzen, bedeutet das für Israel eine Verschlechterung der Friedensaussichten, denn Netanjahu wird den Siedlungsbau fortsetzen. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass er von rechts überholt wird – von einer nationalreligiösen Koalition, die noch mehr Siedlungen baut, die palästinensisches Land annektiert und den jüdischen Nationalstaat hochleben lässt. Nur demokratisch wäre Israel dann nicht mehr.
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