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Archiv-Artikel

STUBENHOCKER-HÜHNER, DIE DIE FRISCHE LUFT SCHEUEN und nicht im sand scharren wollen, MACHEN AUS konventionellen FREILAND-EIERN SCHON MAL STALL-EIER - zum leidwesen der eier-produzenten Landebahngroße Ödnis

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Ich war Ostern in der Heimat, wie jedes Jahr, und leider deshalb auch nicht beim Ostermarsch, auch wie jedes Jahr, und womit werde ich jetzt konfrontiert? So kurz nach Ostern? Nachdem ich zwölf hart gekochte Eier in mich reingestopft habe, die wir vorher mit ganz natürlichen Natursachen, wie Blättern und Kräutern, hauptsächlich – nun ja – bräunlich gefärbt haben? Im Norddeutschen Rundfunk wird die Frage gestellt, ob Hühner frische Luft scheuen.

Ich bin mit Hühnern aufgewachsen. Sie waren immer da, immer um mich herum, dass die aber die frische Luft scheuen, wäre mir nie in den Sinn gekommen, denn woanders waren sie ja gar nicht zu finden. Ich kannte früher nur Hühner, die immer draußen waren, nur zum Schlafen gingen sie auf ihre Stangen im Stall. So ist es auch jetzt noch, bei uns, in der alten Heimat. Und wenn der alte Vater den Stall öffnet, flitzen die Hennen und der Hahn sofort auf die Wiese. Was für beknackte Hühner sollen das also sein, die lieber im Stall bleiben?

Im besagten NDR-Beitrag ging es um den Vorwurf, dass die so gekennzeichneten Freiland-Eier zum größten Teil keine Freiland-Eier wären, weil die Hennen den Stall gar nicht verließen. Da war direkt von einer Mogelpackung die Rede, da stritt sich der Naturschutzbund BUND in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen um genau diesen Begriff.

Tilman Uhlenhorst, der BUND-Landwirtschaftsreferent in Niedersachsen, möchte das differenzieren, er findet, diese Eier seien nur manchmal eine Mogelpackung, aber nicht immer. Denn manchmal gingen die Hühner ja schon aus dem Stall. Ja, wie denn nun? Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hat eine Studie dazu in Auftrag gegeben. Demzufolge nutzen in Großställen nur 5,4 Prozent der Legehennen die Möglichkeit des Auslaufes. Der Rest bleibt im Stall hocken.

Wenn da einer sich also so ein gutes Freiland-Ei leistet, dann kriegt er in Wirklichkeit gar kein Freiland-Ei, sondern ein Stall-Ei? Oder kauft er die Möglichkeit für das Huhn mit? Aber wirkt sich die Möglichkeit des Auslaufs überhaupt positiv auf ein Tier aus? Würde denn das Huhn, wenn ihm das Draußenrumrennen gefallen würde, nicht dies auch tun? Bietet man dem Huhn, das gar nicht raus will, nicht nur deshalb einen Auslauf an, um das Ei dann später als Freiland-Ei etwas teurer verkaufen zu können?

Ein Hühnerfachmann kann das Verhalten eines Stubenhocker-Huhnes in der Lebenssituation der Massentierhaltung relativ gut erklären. Und das haben verschiedene Fachleute auch getan. Die Fachleute vom BUND zum Beispiel. In der Bio-Landwirtschaft gelten ohnehin andere Vorgaben für die Geflügelhaltung als in der konventionellen Haltung, wo eine Bodenhaltung unter Umständen – wie den jetzigen – fast absurd oder überflüssig erscheint.

Silvia Ey, vom Geflügelwirtschaftsverband Mecklenburg-Vorpommern, sagt einfach, es sei eben schwierig, Hühner über eine große Fläche zu verteilen. Warum das schwierig ist, sagt sie nicht. Das liegt nämlich daran, dass das Huhn ein Fluchttier ist und auf der Flucht muss sich das Huhn auch verstecken können, das muss irgendwo untertauchen können, wenn der Habicht sich von oben auf es raufstürzt. Das ist in dem kleinen Hühnerschädel zu seiner Überlebenssicherung gespeichert und geht da nicht wieder raus. Deshalb, wenn das Huhn da nur eine landebahngroße Ödnis vor dem Stall hat, bleibt das Huhn lieber im Stall.

Das Bio-Huhn hat es besser, denn die einzelnen Verbände haben sich da Gedanken um die artgerechte Bepflanzung der Flächen gemacht. Dem Huhn soll es auch noch gefallen. Soweit will der konventionelle Geflügelhalter aber vermutlich einfach nicht gehen, denn das würde ihm das Ei ja am Ende so teuer wie das Bio-Ei machen, wenn er da so einen Aufwand betriebe.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Eine Nacht und alles“ ist soeben bei Rowohlt Berlin erschienen.