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Archiv-Artikel

STROMTHERAPIE Leistungssteigerung durch Nervenkribbeln

Von AST

Gleichstrom-Stimulation klingt wie ein schlimmer Euphemismus für eine schimme Verhörmethode: Elektroschock. Doch weit gefehlt. Keith Spaulding, 45, Elektroingenieur aus York im US-Bundessstaat Maine, gerät ins Schwärmen, wenn er von tDCS redet – so die englische Abkürzung für transkranielle Gleichstrom-Stimulation. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner baut und verkauft er ein Gerät, das mithilfe von Strom die Leistung des Gehirns verbessern soll.

Der Name ist so schlicht wie vielversprechend: Cognitive Kit. Zum Bausatz gehören eine batteriebetriebene Haupteinheit, zwei graue, viereckige Elektroden, zwei Kabel und zwei Stirnbänder, in Rot und Lila. Die beiden Elektroden werden mit den Kabeln an die Haupteinheit angeschlossen. Dann platziert man sie im vorderen Bereich des Schädels und fixiert sie mit den beiden Stirnbändern. Haupteinheit an. Und schon fließt schwacher Strom, der das Gehirn auf Trab bringen soll. Genauer: Die äußere elektrische Spannung beeinflusst die Erregbarkeit der Nervenzellen, die dann schneller oder langsamer auf Reize reagieren. So weit, so wissenschaftlich fundiert.

Doch kann das auch mit einem Gerät für den Hausgebrauch funktionieren? Dr. Joachim Cordes, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Hirnstimulation, ist skeptisch. Zwar sei die transkranielle Gleichstrom-Stimulation eine erfolgversprechende Methode, die bereits in zahlreichen psychotherapeutischen Studien angewandt worden sei. Aber eben bei Menschen mit bestimmten Erkrankungen sowie unter Anleitung und Aufsicht von Experten. Geräte für Otto Normalverbraucher daheim hält Cordes für nicht sinnvoll.

Von einem solchen Urteil lässt sich tDCS-Fan Spaulding, der sein Cognitive Kit regelmäßig selbst nutzt, nicht beirren. Als er damit begann, ließ er den Strom ungefähr dreimal pro Woche auf seine Nervenzellen wirken. Jetzt setzt Spaulding das Gerät gezielt ein, für den kurzfristigen Effekt. Beim Einschalten habe er kurz einen „leichten Blitz“ vor Augen. Dann spüre er ein sanftes Kribbeln: „Nicht richtig elektrisch, mehr wie eine schwache Irritation der Haut, die man von einer Creme hat, die man nicht so gut verträgt.“ Schon nach 20 Minuten fühlt Spaulding sich für mindestens einen Tag produktiver, konzentrierter, sagt er. Immerhin: ein Effekt. Selbst wenn es der des Placebos sein sollte. AST