STRASSE DES 17. JUNI : Hanfparade
Es ist schon vier, als ich zum Pariser Platz komme. Der Zug der Hanfparade ist größer, als ich gedacht hatte. Nicht weit vom Brandenburger Tor vermischen sich die meist leicht hippieesken und altersmäßig gut gemischten Teilnehmer mit teils staunenden Touristen. Auf meinem Lieblingsplakat steht: „Konsum statt Kommerz!“ Vor der Bühne in der Straße des 17. Juni ist noch nicht viel los. Eine Rikscha fährt vorbei. Der Rikschainsasse, ein braungebrannter Tourist in kurzen Hosen, Mitte fünfzig, sagt zweimal laut und bescheidwisserisch zum Rikschafahrer „Hast du Haschisch in den Taschen, hast du immer was zu naschen“.
Jemand sagt „Hallo“; das ist M. Wir hatten uns zuletzt auf dem „Cannafest“ in Prag gesehen und kennen die Hanfparade seit ihren Anfängen. Grad werden zwei junge Männer abgeführt und am Rande durchsucht. Wir gehen hinterher, um zu fragen, was sie verbrochen hätten. „Beamtenbeleidigung“, aber mehr dürfen die Polizisten wegen Datenschutz nicht verraten. Eine Frau, Ende vierzig, fragt, ob wir was zu rauchen hätten; ich biete ihr eine Zigarette an, und M. sagt, da hinten auf der Wiese gibt es genug Gras. Später gehen wir in den Tiergarten und rauchen eine Tüte. Unsere Gespräche sind etwas opahaft: „Na, ist doch schön wieder“ und „Sind ja doch ganz schön viele gekommen“. Sie sagt, das letzte Jahr sei schlimm gewesen. Drei prominente Legalisierungsaktivisten sind gestorben: Günter Amendt, Jack Herer und Hans-Georg Behr.
Sie erzählt, wie sie Behr einmal besucht hatte und der berühmte Autor, ein „traditioneller Dekadentist mit reststrahliger Lebensart“, eine Art Diener gehabt hätte, der ihm immer die Joints gedreht hätte und dass Behr unaufhörlich quasseln konnte. Stundenlang, ohne dass man selbst je zu Wort gekommen wäre. Später gucke ich noch mal im Internet. Jack Herer und Hans-Georg Behr sind schon 2010 gestorben. DETLEF KUHLBRODT