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Archiv-Artikel

STILKRITIK Plumpe Tricks

Einmal angenommen, Sie sind Pillenproduzent. Es ist Wahlkampf und diese Pharmakritiker stellen kurz vor der Wahl ihr jährliches Kompendium dazu vor, wie viele Medikamente überflüssigerweise verschrieben werden und sowieso zu teuer sind. Was machen Sie?

Genau. Einen Tag vorher stellen Sie eine Studie dazu vor, wie zufrieden die Deutschen mit den Ärzten und Apothekern und also mit ihrer Medikamentenversorgung sind. So präsentierte am Mittwoch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller den „Deutschen Gesundheitsmonitor“ – in der Hoffnung, dass allein schon der Allgemeinvertretungsanspruch im Titel den leidigen Arzneiverordnungsreport medial überstrahlen werde.

Zweifellos werden die unzähligen PR-Agenturen, die von der Erstellung und Verbreitung von Gesundheitsmeldungen leben, das Presseecho sorgsam auswerten, wer auf den Trick hereingefallen ist. Nicht immer allerdings gehen die Lobbyvertreter so relativ plump und durchschaubar vor.

Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bescheinigte den Lobbyisten kürzlich, „in zunehmendem Umfang glänzend organisiert“ auf die Gesetzgebung einzuwirken. Ulkigerweise behauptete er gleichzeitig, die Abgeordneten seien im Umgang mit Lobbyisten „gut trainiert“, ließen sich demnach eben nicht unziemlich beeinflussen.

Doch wäre es im Augenblick auch ein Quäntchen Aufmerksamkeit wert, wie nicht nur die Parteien das Wahlvolk zu gewinnen versuchen – sondern wie die Wirtschaftsverbände diesen Prozess steuern. So stellt der Bundesverband der Arzneimittelhersteller nebenher auch gern Zahlen zur Verfügung, die wie ein Bürgerwunsch nach mehr privat und weniger Staat klingen. Der Kampf der Energieproduzenten um ihre Marktanteile lässt sich schon daran ablesen, dass es gelungen ist, die Strompreisentwicklung zu einem Hauptthema des Wahlkampfs zu machen.

Wenn Politiker gezwungen werden, nicht von ihren Programmen zu reden, sondern auf die mediale Agenda zu reagieren – dann ist das manchmal nicht Demokratie, sondern oft genug gelungener Lobbyismus. ULRIKE WINKELMANN