STEUERN POLARISIEREN DIE PARTEIEN – AUF JEDEN FALL BIS ZUR WAHL : Die Rückkehr der Verteilungspolitik
Eine zusätzliche Einkommensteuer für Millionäre einzuführen passt nicht zur bisherigen Politik der rot-grünen Bundesregierung. Wenn SPD und Grüne diese Absichtserklärung nun doch in ihre Wahlprogramme aufnehmen, so untergraben sie die Glaubwürdigkeit der Regierungspolitik. Wir erinnern uns: Anfang 2005 sank der Spitzensteuersatz für Großverdiener auf 42 Prozent. Warum sollte er ein Jahr später wieder um 3 bis 5 Prozentpunkte steigen, wie die SPD nun diskutiert?
Auf den zweiten Blick ist die „Millionärssteuer“ mit den allgemeinen Linien rot-grüner Politik schon eher in Einklang zu bringen. Denn die heutige Höhe des Spitzensteuersatzes war nicht die Idee von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Der ging im Jahr 2000 mit 45 Prozent ins Rennen. Um die Zustimmung von Union und FDP im Bundesrat zu erreichen, hat Eichel sich dann aber auf 42 Prozent herunterhandeln lassen. Wohlwollend ließe sich also argumentieren, Rot-Grün kehre mit dem Großverdienerzuschlag zu der Steuerhöhe zurück, die man ursprünglich angepeilt hatte. Verteilungspolitisch richtig wäre ein höherer Spitzensteuersatz allemal. Die Realeinkommen der Beschäftigten sind seit 1994 um 0,9 Prozent zurückgegangen – im Gegensatz zu Kapitaleinkommen und Spitzenverdiensten. Der Abstand zwischen sehr gut und sehr schlecht verdienenden Menschen vergrößert sich. Daher wäre es gerechtfertigt, wenn Reiche – wir reden von Monatseinkommen über 20.000 Euro – einen zusätzlichen Teil an die Allgemeinheit abträten.
So sehen es, darf man vermuten, auch viele Bundesbürger. Der öffentliche Diskurs über zu hohe Managergehälter, astronomische Gewinnziele von Unternehmen und böse ausländische Investoren („Heuschrecken“) sind verbreiteter Ausdruck eines verletzten Gerechtigkeitsempfindens. Diese Strömung will sich Rot-Grün im Wahlkampf zunutze machen – mit guten Chancen, plant doch die Union, die Spitzensteuer bis auf 39 Prozent zu senken. Diese polarisierende Auseinandersetzung spielt sich freilich ausschließlich programmatisch ab. Die praktische Politik nach dem 18. September dürfte ganz anders aussehen, egal ob Schwarz-Gelb gewinnt oder Rot-Grün. HANNES KOCH