STEPHAN KOSCH ÜBER NOTWENDIGEN WETTBEWERB IM NAHVERKEHR : Konkurrenz gegen Arroganz
Über die unzuverlässigen Klimaanlagen der Bahn redet sich Deutschland derzeit die Köpfe heiß. Nur Bahnchef Grube bleibt cool, tritt erst der Bahnindustrie vor das Schienbein und dann entspannt vor den Verkehrsausschuss des Bundestages. Dort kann er zwar auch nicht erklären, warum ein paar dutzend Fahrgäste einen Hitzekollaps erlitten haben oder kurz davor waren. Aber immerhin darf man – nach vielen Protesten – sich nun auch ohne ärztliches Attest auf 500 Euro Schadenersatz freuen.
Dass sich die Deutsche Bahn einen derart arroganten Umgang mit den Kunden leisten kann, verweist auf ein Kernproblem des deutschen Schienenverkehrs. Es fehlt an Konkurrenz. Wer überregional mit dem Zug fahren will, ist auf die Deutsche Bahn angewiesen. Eine Alternative gibt es im Fernverkehr – abgesehen von wenigen Connex-Zügen – nicht.
Anders im Regionalverkehr. Hier konkurrieren bei Ausschreibungen unterschiedlichste Unternehmen. Und davon profitiert jeder Steuerzahler. Denn der Regionalverkehr nährt sich zum allergrößten Teil aus einem Topf des Bundes, der dann von den Ländern in kleinen Häppchen als eine Art Pauschalvergütung an die Bahnunternehmen verteilt wird. Hauptprofiteur dieses Systems ist bislang die Deutsche Bahn, die im Regionalverkehr im vergangenen Jahr 870 Millionen Euro Gewinn erzielte, deutlich mehr als im Güter- und Fernverkehr.
Umso ärgerlicher ist es, wenn solche Aufträge intransparent an die Bahn vergeben werden, wie es offenbar in Nordrhein-Westfalen der Fall war. Dabei gibt es Alternativen: private Zugbetreiber ebenso wie Gesellschaften unter Beteiligung der Länder. Das bedeutet nicht, dass die Bahn nicht mehr zum Zug kommt. Aber sie muss sich einstellen auf Konkurrenz und Kundenwünsche – bald auch im Fernverkehr.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8