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STANDBILDDas könnten Sie gelegentlich mal lesen...

■ "Kulis Buchclub", RTL plus, Sa., 21.05

Ich gestehe ganz offen und ohne Gewissensbisse: Was Hans-Joachim Kulenkampff betrifft, bin ich voreingenommen. Wenn damals in den farbenprächtigen sechziger Jahren „Einer wird gewinnen“ im guten alten Imperial zu sehen war — schwarzweiß natürlich — durfte der kleine Herr Dittmeyer schon mal aufbleiben. Des reifen Kulenkampff TV- Sendungen waren meiner unmaßgeblichen Meinung nach die einzigen Samstagabendshows, die man betrachten konnte, ohne sich vor Pein im Fernsehsessel zu winden, vor Scham die Augen zu bedecken oder bittere Zähren zu vergießen. Will sagen: Der Mann ist eine Ikone der audiovisuellen Unterhaltung. Sein tadelloses Auftreten machte den liebevoll „Kuli“ geheißenen bei der Kritik erfolgreich und zum Liebling des Publikums. Im Wissen um seine Popularität tut er nichts, was er nicht verantworten kann. Da er für seinen Verstand und seinen Mutterwitz bekannt ist, durfte man von diesem Comeback einiges erwarten.

Da haben wir auch schon das Problem: unsere Erwartungshaltung. Eine Literaturshow ist kein „Wetten, daß ...“, die Vorstellung mehr oder weniger neuer Bücher kein „Spiel ohne Grenzen“. Es ist beileibe keine Koketterie, wenn Kulenkampff in einer spontanen Randbemerkung das Erstaunen über seine Sendung vorwegnimmt: „Der hat karierte Socken an, keine Krawatte um und tut so, als ob Bücher was ganz Normales wären.“ Leger geht es zu in „Kulis Buchclub“; der Gastgeber plaudert, extemporiert, unterhält sich launig mit Studiogästen, liest auch mal eine Passage, zeigt kurze Filme. Mehr nicht. Daß wir notorischen, immerzu auf Sensationen versessenen „couch potatoes“ denken, ein solches Programm sei doch wohl ein bißchen wenig für eine zur besten Sendezeit plazierte Show, liegt womöglich doch eher an unserer Konditionierung als an den Schwächen des Konzepts. Kulenkampff (und seine RedaktuerInnen) wollen erklärtermaßen nicht mehr tun, als auf Bücher neugierig zu machen. Wenn er ein Gespräch über das neueste Werk des Amateurarchäologen Erich von Däniken abschließt mit den Worten: „Lesen Sie das“, so ist das nicht der kategorische Imperativ eines verkaufswütigen Showmasters, sondern es heißt schlicht: „Das könnten Sie gelegentlich mal lesen — genau wie die anderen Bücher hier“, von Arthur Hailey über Dagobert Lindlau und Peter Carey bis hin zu den geschmackvollen „Sex-Tips für Boys und Girls“ von Gisela Krahl und Andrea Riepe. Kulis Publikum versteht das richtig. Nur wir Kritiker wittern Unrat, Verschwörung und Bevormundung und halten die ZuschauerInnen für blöder, als sie tatsächlich sind. Vielleicht sollten wir uns das mal abgewöhnen. Herr Dittmeyer

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