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STANDBILDKonfektioniertes Schicksalskauderwelsch

■ "Die Entführung der Achille Lauro", Mi. und So., ARD, um 20.15 Uhr

„In ein paar Monaten entführen wir ein volles Verkehrsflugzeug des Landes, das Euch gefangenhält und pressen Euch frei. Das verspreche ich Euch.“ So spricht der schurkische PLO-Drahtzieher zu den vier Terroristen, die nach der Entführung der „Achille Lauro“ in einem Flugzeug auf Sizilien von amerikanischen und italienischen Soldaten umzingelt sind. Aber: ein PLO-Mann — kein Wort. Verlogen, dumm, hysterisch und gemein sind sie allesamt, die Palästinenser, sobald sie das Maul aufreißen, die Augenbälle rollen lassen und die arabischen Kehllaute von sich würgen. Aus Gründen der Verständlichkeit sprechen sie freilich meistens fließend deutsch — so wie sie in der Originalversion des Fernsehspiels vermutlich fließend italienisch sprechen.

Man spricht überhaupt in diesem Film des internationalen Antichambrierens von Telefon zu Telefon, von Militärstützpunkt zu Militärstützpunkt und auf dem Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro“ nur eine Sprache — so wie auch Dramaturgie und Inszenierung der Räuberpistole aus Italien nur eine filmische Sprache kennt: das konfektionierte Schicksalskauderwelsch des Action-Alphabets.

Daß dieser Film — wie die Ansagerin mit seriositätsumflorter Miene sagt — „in enger Anlehnung an die Ereignisse“ gedreht ist — daraus bezieht er seinen Kitzel, und zugleich macht ihn das erbärmlicher als jede ausgedachte Action-Platte. Denn da man seit fünf Jahren weiß, wie diese Geschichte ausgegangen ist, brauchen Sergio Donati und Alberto Negrin nur noch nach Strich und Fadenkreuz abzusahnen und bösartige Ballermänner auf panisch krakeelende Statistenscharen loszulassen. Wie gruselig-schön ein Kalaschnikow- zerschossenes kaltes Büffet in Zeitlupe aussehen kann — das zu demonstrieren ist Teil des ästhetischen Einfallsreichtums dieses Films. Wie tragikumwittert der amerikanische Jude Klinghoffer in seinem Rollstuhl sitzt, bevor ihn ein Terrorist erschießt — das darzustellen, hat sich Burt Lancaster bereitgefunden, um aus einem blindwütig abgeknallten Menschen eine würdige Heldenfigur, von Ennio Morricones Musik umschmalzt, zu machen. Und weil das Leben doch so viel langweiliger ist als jeder Film, hat sich der Drehbuchautor ein versöhnliches Gegengewicht zum Mord an Klinghoffer ausgedacht: Das Ehepaar Bergeron, zu Beginn der Kreuzfahrt recht frustriert, findet — geläutert durch die Entführung — wieder in unwandelbarer Liebe zueinander.

In das Dunkel der damaligen Zuständigkeits- und militärischen Eingriffskompetenzen bringt dieser Film kein Licht, auch wenn er noch so häufig von Rom nach Port Said, von Kairo nach Washington, von Syrien nach Sizilien springt. Wie im Bericht aus Bonn sieht man die Staatskarossen und die Regierungssitze wechseln. Man hat sogar die Maskenbildner animiert, einen Craxi- Glatzkopf und einen Reagan-Gesichtsfaltenwurf fürs halbschattige Ausleuchten herzustellen, bloß um angeberisch zu illustrieren, daß auf höchster Ebene verhandelt wurde. Und „in enger Anlehnung“ an einen bereits existierenden Film, der mit dem „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“ endet, schwadronieren sich hier am Ende der amerikanische Einsatzleiter Davies und sein Gegner, der sizilianische Stützpunktkommandant, auf dem Rollfeld von Sigonella an: „Sie sind ein sturer, knallharter Hundesohn, ein Offizier, den ich gern neben mir hätte. Gehen wir was trinken?“ Die zwei sind nicht die einzigen, die so viel gaga mit Grappa runterspülen müssen. Sybille Simon-Zülch

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