piwik no script img

STANDBILDNur keine Hemmungen

■ Michael Schanzes Quiz im Ersten, Wahlkrampf im ZDF

Wahlkrampf im ZDF: Unter dem Titel Richtung Deutschland hatten die Programmacher Spitzenpolitiker der Parteien in die Zeche Zollverein nach Essen geladen, wo sie dem Publikum Fragen zur Deutschlandpolitik beantworten sollten — ganz bürgernah also. Während man Rechtsaußen Schönhuber immerhin für würdig befand, im Kreise neben Blüm, Adam-Schwaetzer, Stolpe, Ditfurth und Huber aufzutreten, ließ man unverständlicher Weise die PDS außen vor.

Was als temperamentlose Abfragestunde begann, endete als krasses Beispiel für eine mißlungene Live- Diskussion. Moderator Joachim Braun war der Aufgabe einfach nicht gewachsen. Die wenigen Gäste, die überhaupt zum Fragenstellen kamen, wurden gnadenlos abgewürgt. Die „Flick-Affäre“ sei kein deutschlandpolitisches Thema, mußte ein junger Mann sich von Braun sagen lassen. Er solle sich doch kurz fassen, herrschte er einen anderen an, während die Parteivertreter sich gewohnt ausladend gebährden durften.

Nur einmal kochte die Stimmung wirklich hoch, nämlich als ein Zuschauer die Frage nach den deutschen „Ostgebieten“ neu diskutieren wollte — willkommenes Stichwort für den sonst recht wortkargen Schönhuber. Und da hatte Moderator Braun nichts besseres zu tun, als ein neues Thema einzuführen. Wer sich in die Live-Arena begibt, der muß die Kontroverse ertragen können.

Gerade das Aus-der-Haut-fahren der Politiker, der verbale Schlagabtausch, die Publikumsbeschimpfungen und die lautstarken Proteste. Das ist es, was solche Sendungen interessant macht, und nicht die wohlformulierten Antworten auf brav gestellte Fragen.

Als zum gehetzten Ende der Bergmannschor endlich sein „Glück auf, Glück auf“ schmettern durfte, da gab es nur eine Gewinnerin in dieser Politshow: die Grüne Jutta Ditfurth, die schlagkräftig und brillant das Publikum für sich einzunehmen verstand. Der Applaus gebührte ihr und nicht dem ZDF und seinem Sendezeitverwalter Braun. utho

Michael Schanze sieht so jugendlich frisch aus, als könnte er auch in zehn Jahren noch diese warmherzig-schnulzigen Schlager in Dieter Thomans Hecks „Hitparade“ singen. Ein großgewordenen Bub, für den meine M. gerne Pullis stricken würde. Und wenn er sich dann in der Pause zwischen zwei Rateblöcken an den gläsernen Flügel begibt, um ein munteres Liedchen zu trällern: „Eine Reise im Luftballon; 1.000 Dollar im Pappkarton...“, dann sieht man in der Großaufnahme die Schweißperlen der redlichen Anstrengung auf seiner Stirn. „Guck mal, wie der schwitzt. Das issn Könner“, sagte meine M. Bei ähnlichen Anlässen schon vor zwanzig Jahren. „Alles Quatsch!“, gab ich, damals heftig in der Trotzphase, barsch zurück. „Quatsch hin, quatsch her“, faßte mein P. in solchen Fällen die Diskussion zusammen, ohne den Blick von der Mattscheibe zu lösen: „Der kricht abber doch GELD dafür.“ Das war das Stichwort für meine M., die darauf je-des-mal, als wäre es das erstemal, mit dem Zitat von Lou van Burg schloß: „Der Quatsch werd bezaald.“

Nachdem er sich also 64 Mal im Vorabendprogramm abgerackert hat, wurde Schanze die Ehre zuteil, zur Stunde der effektivsten Berieselung, um 20.15 Uhr im Hauptabendprogramm, über den Äther zu kommen. Zwei Rateteams, bestehend aus Prominenten und Fußvolk, wird die Aufgabe erteilt, metaphorisch klingende Namen und Begriffe zu erraten, und zwar aufgrund pantomimischer Bewegungen, welche der jeweilige Teamkollege unter mächtigem Zeitdruck vollführt. Das nennt sich eine Scharade. Ich erinnere mich. Das kam auf den Kindergeburtstagen immer gut. Damals war es aber so, daß einer raus mußte, derweil die andern gesagt bekamen, der Kandidat würde mimen, wie man sich aufs Klo setzt, während der im Glauben war, Wäsche aufzuhängen etc. Na ja, lassen wir das. Das beste bei diesem Rentnerballett war das notorisch delirante Dazwischengequatsche von Karl Dall (wundert mich, daß der nicht mal eine aufs Maul kriegt), der seiner Teamkollegin, die es einmal nicht auf die Reihe bekam, zurief: „Vergiß es!“ In diesem Sinne. rie

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen