STANDBILD: Mutterkuchen zum Muttertag
■ Eine Frau mit Pfiff, Sonntag, ZDF, 20.15 Uhr
Muttertag, das ist ein Strauß von „Fleurop“, ist auswärts essen, ist eine Großpackung „Merci“ oder die Liter-Flasche „Klosterfraumelissengeist“. Muttertag macht auch vor dem Fernsehen nicht halt. Hinter Eine Frau mit Pfiff (ZDF) verbarg sich eine positive Überraschung. Statt der üblichen Gedenktags-Mutter spielte eine pfiffige Hebamme die Hauptrolle.
Argwöhnische LeserInnen könnten hier eine Befangenheit des Kritikers wittern. Ja, gar vermuten, unser Wohlwollen rühre allein aus dem Wissen darum, daß eine Vertreterin dieses Berufsstandes nicht zuletzt auch uns nach dem uteralen Kick-out den Klaps fürs Leben gegeben hat. Doch der Zweifel an der Lauterkeit unserer Schreibe ist unberechtigt. Denn zum einen waren wir keine Hausgeburt und zum anderen hat uns Eine Frau mit Pfiff wirklich gefallen.
Die Geschichte fängt damit an, daß die Geburtshelferin Roswitha das 776. Baby auf die Welt bringt. Gespielt wird sie von Ilse Werner, die sich bisher vor allem durch das Abpfeifen von herzerfrischenden Melodien einen Namen gemacht hat. Kurz und Gut: Der kleine Jung' „flutscht raus wie Butter“ (was wir allerdings nicht zu sehen bekamen), und wir sind mitten drin im Geschehen. Rund um die Figur der Roswitha entfaltet sich ein Kleinstadt-Panoptikum, das von den bekannten und leidlich amüsanten Prototypen des deutschen Lustspiels bevölkert wird: Ein schikanöser Polizist (Heinz Reincke) reitet die Paragraphen. Ein raffgieriger Autohändler (Siegfried W. Kernen) versucht Roswitha einen „Japaner“ (Auto) aufzuschwatzen, um sich am Verkauf ihres Uralt-Käfers zu bereichern. Und der spießige Umstandskrämer Jens Uwe (Peter Fricke) träumt einzig von seiner Berufung zum Vorstand der Apothekerinnung. Alles in allem verbinden sich die einzelnen Handlungsstränge und Episödchen locker zu knapp einer Stunde netter Fernsehunterhaltung. In einer Szene erreichte die Frau mit Pfiff sogar geradezu Loriotsches Format: Statt im Aquarium schwimmen die Fische plötzlich in der Pfirsichbowle, um schließlich im Magen von Frau Hoppenstein (beste Nebenrolle: Erika Skrotzki) einen nicht zu stoppenden Schluckauf zu produzieren. Gut gefallen hat mir auch, wie die allzu bekannten Komödiendialoge gelungen aktualisiert wurden. Themen wie Fremdenhaß und deutsch-deutsche Eigentumsstreitereien kamen vor und wirkten dennoch nicht aufgesetzt. Erwähnenswert auch die für ein Fernsehspiel auffallend gute Kameraarbeit (Werner Adams). Ja, die Frau mit Pfiff konnte sich sehen lassen. Das ist heute bei deutschen Komödien wirklich selten. Martin Muser
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