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STANDBILDServus, Franz Xaver

■ "Auf der Couch", Donnerstag, ARD, 21.03 Uhr

Wenn ein Dichter plötzlich merkt, daß ihm die Worte fehlen, ist das für die meisten Schriftsteller sicher eine vernichtende Erkenntnis. Nicht so bei Franz Xaver Kroetz.

Er verlegte sich aufs leichte Fach und merkte rasch, daß sich vom Verkauf der Geburts- und Geburtstagsfotos seines Nachwuchses, gelegentlichen 'Bild‘-Kolumnen und diversen Talkshow-Auftritten auch ganz gut leben läßt.

Nach seinem Auftritt als sympathischer Society-Schmierfink in Kir Royal gibt er seit einiger Zeit, uns zur Freude, den Hanswurst— in einer saftig-krachledernen Bayern- Version. Willig zapft er Bierfässer, freut sich über Blasmusik und Schuhplattler und erklettert mühelos einen Maibaum. In dessen Krone greift er sich als erstes den Hundertmarkschein, der dort hängt. Das Kapital vom ollen Marx gleich daneben läßt der Ex-Kommunist lieber hängen.

Franz Xaver Kroetz wuselt, ackert und blödelt an diesem Abend relativ ungestört vom Moderator auf der Couch vor sich hin. Er sagt wenig, und wenn, dann ringt er um jeden Satz. Wieland Backes scheint das nur recht zu sein. So kann er sein Zirkuspferd ganz nach Drehplan durch die Arena treiben.

Die willigen Stichwortgeber aus der Schell-Family stehen ihm bei. Die selig-sedierte Lachschleuder Maria Schell rezitiert neue Gedichte von Franz Xaver, preist den Schwiegersohn über den grünen Klee und strahlt mit ihm um die Wette. Bei so viel fruchtbarer Harmonie fällt dem wackeren Wieland Backes nur noch ein: „Man spürt die Vibrations.“

Gelegentliche Versuche, in diesen kunterbunten Abend ein ernsthaftes Gespräch zu plazieren, wehrt Herr Kroetz tapfer ab. Warum seine Stücke plötzlich keiner mehr spielen will, weiß er auch nicht. Er sei halt aus der Mode gekommen, sagt er, und — schwupps — verschwindet er in einem Tigerkäfig, um knurrenden Raubkatzen in die Augen zu blicken. Welch Herausforderung für die Lebensmitte.

Helmut Karasek schaut auch mal kurz vorbei. Wo bleibt der Dichter, will der Kritiker von diesem wissen. Offensichtlich hat Karasek noch nicht alle Hoffnungen aufgegeben und ruft dem Kroetz zu: „Reiß dich zusammen und schreib was Gescheites.“ Aber er ahnt, daß unsere Chiemgauer Hemingway-Kopie nicht im Traum daran denkt. So bleibt es Helmut Karasek vorbehalten, den wichtigsten Satz der Sendung zu formulieren: „Jeder hat das Recht auf seine Biographie.“ Servus, Franz Xaver.

Ejo Eckerle

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