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Archiv-Artikel

STADTGESPRÄCH Kotzen auf die Kronjuwelen

AUF DIE AUSFÄLLE DES TSCHECHISCHEN PRÄSIDENTEN MILOS ZEMAN ANTWORTET DIE ELITE MIT EIERWÜRFEN

Besonders eine Frage beschäftigt die Prager spätestens seit den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der „Samtrevolution“ am 17. November: Darf man den Staatspräsidenten mit Eiern bewerfen? Eine Frage, die per se absurd ist. Jedenfalls in der Tschechischen Republik. Dort galt der Präsident als unantastbares Symbol der lange umkämpften Staatlichkeit. Als Väterchen des Landes, das das Volk hinter sich einte. Deshalb beantworten die Prager diese Frage frei nach einem ihrer wohl berühmtesten Landsmänner, Josef Schwejk: Nein, mit Eiern werfen darf man nicht.

Aber im Falle von Miloš Zeman schon. Seitdem Zeman im Januar in direkter Wahl zum Staatsoberhaupt gewählt wurde, hat er so ziemlich sein Bestes gegeben, um das Amt zu diskreditieren. Schon zwei Monate nach Amtsantritt wankte er sturzbesoffen vor den böhmischen Kronjuwelen herum. Beobachter hatten schon die Befürchtung, Zeman würde die Krone des heiligen Wenzel vollkotzen. Auch sein Ass im Ärmel, Töchterchen Katerina, erwies sich als PR-Katastrophe. Nachdem ein Pornofilm, in dem die Präsidententochter in knappem Gewand neben kopulierenden Paaren tanzte, von der Präsidentenkanzlei weder geleugnet noch schöngeredet werden konnte, wurde Katerina ins Ausland abgeschoben. Zu Studienzwecken, versteht sich.

Eine gewisse Vulgarität haftet Zeman schon immer an. Legendär seine Beschimpfungen von Journalisten als Abschaum. Legendär sein Alkoholkonsum und seine Gesundheitsratschläge. Man solle mit dem Rauchen erst mit 27 anfangen, dann würde es auch nicht mehr schaden, ließ er bei einem Besuch einer Zigarettenfabrik in Mittelböhmen verlauten.

Aber all das hätten ihm die Prager verziehen, auch wenn sie Zeman mehrheitlich nicht gewählt haben. Denn Tschechien ist ein liberales Land. Dass die Prager am 25. Jahrestag ihrer Revolution auf die Straße gingen, um ihr Staatsoberhaupt mit Tomaten und Eiern zu bewerfen, hat andere Gründe. Zeman hat sich mit der intellektuellen Elite Tschechiens angelegt, die zu 90 Prozent in Prag sitzt, und mit der kritischen Mittelklasse. Die nennt Zeman verächtlich „Prager Kaffeehaus“ oder „Prager Lumpenkaffeehaus“. Wohl im Gegensatz zum Dorfstammtisch, den er vertreten will, wenn er im Radio von „Fotze“ spricht.

Zeman zerstört Traditionen. Er kann sich nicht einfach weigern, einen Kritiker zum Professor zu ernennen. Denn dabei geht es nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern um die Unabhängigkeit einer der ältesten Universitäten Europas. Und er kann nicht einfach auf Schmusekurs zu Russlands Präsident Wladimir Putin gehen, der so weit gediehen ist, dass sich nicht nur das „Prager Lumpenkaffeehaus“ wundert, warum Zeman keine braune Nase hat.

Aber Zeman ist das egal. Am Tag nach den Jubiläumsfeierlichkeiten erklärte er, er werde Putin zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz im Januar nach Prag einladen. Fehlte nur noch das „Ätsch, Lumpencafé“ und ein Aufstampfen mit dem Fuß.

ALEXANDRA MOSTYN

aus Prag