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Archiv-Artikel

STABILITÄTSPAKT: QUITTUNG FÜR PROVOKATIONEN AUS BERLIN UND PARIS Germania ohne Extrawurst

Die Deutschen wollen sich in Brüssel eine Extrawurst braten, und die Franzosen sagen „Bon appétit“. Es wird aber trotzdem nichts mit dem Sonderrabatt Deutsche Einheit beim Haushaltsdefizit. Die übrigen 23 EU-Mitgliedstaaten sehen nämlich nicht ein, dass im Stabilitätspakt eine Lex Germania geschaffen wird. Zwar wollen alle dem Pakt eine Liste außergewöhnlicher Belastungen beifügen. Doch der Vorschlag, den Ratschef Juncker dazu gemacht hat, passt den meisten nicht. Einige Mitgliedstaaten würden die Liste gern verlängern, andere wollen sie kürzer oder ganz anders. In einem aber sind sich alle einig: Eine Sonderbelastung Wiedervereinigung, die nur Deutschland geltend machen könnte, soll es nicht geben.

Die Achse Paris–Berlin sorgt wieder für eine gewaltige Trotzreaktion. Nicht zum ersten Mal fragt man sich, ob Schröder und Chirac sich des Effekts bewusst sind, den ihre zur Schau gestellte Männerfreundschaft auf die anderen, vor allem auf die kleineren EU-Mitglieder hat. Das Treffen der beiden am Vortag des Finanzministerrats vermittelte erneut die Botschaft: Wenn wir uns schon vorab einig sind, könnt ihr anderen eure Vorschläge einpacken. Die daraus resultierenden psychologischen Spannungen verdecken, worum es bei der Reform des Stabilitätspakts im Kern geht: um gar nichts. Die Liste außergewöhnlicher Belastungen, die dazu berechtigen sollen, 3 Prozent Neuverschuldung für kurze Zeit ein kleines bisschen zu überschreiten, wird gar nicht gebraucht. Dass Investitionen und andere Faktoren in die Beurteilung einbezogen werden sollen, steht schon jetzt im EU-Vertrag. Und Deutschland, das im vierten Jahr in Folge die 3 Prozent nicht unterschreiten wird, hat die kurze Dauer, für die ein Verstoß gegen den Pakt toleriert werden soll, längst überschritten.

Gestritten wird also in Wahrheit darüber, ob die deutsch-französische Achse allen anderen ihren Willen aufdrücken kann. Doch auch in dieser Frage werden nur Rückzugsgefechte geführt. Denn schon jetzt dürfen sich Paris und Berlin viel mehr Disziplinlosigkeit beim Budget erlauben als alle anderen Mitgliedsländer. Das wird sich in Zukunft nicht ändern – mit oder ohne Paktreform.

DANIELA WEINGÄRTNER