SPORTPLATZ : Martialisch und friedlich
FUSSBALL Union revanchiert sich bei Erzfeind Dynamo Dresden für Niederlage aus der Hinrunde
Dynamo Dresdens Kapitän Christian Fiel sah ziemlich bedröppelt aus, als er einem sächsischen Lokaljournalisten kurz nach dem Spiel gegen seinen Exklub Union Berlin Rede und Antwort stand. Ob er denn auch etwas Positives aus diesem Spiel mitgenommen habe? „Lassen Sie mich kurz überlegen“, holte der 36-Jährige ruhig aus, um den Reporter wenige Sekunden später mit einem klaren Nein abzuwürgen. Was sollte er auch nach der deutlichen 0:4-Niederlage in der Alten Försterei anderes sagen? Auf ganzer Linie hatten die Berliner ihren Erzfeind spielerisch und kämpferisch vorgeführt. In der Vorrunde noch hatten die Dresdener Union ihrerseits mit 4:0 bezwungen.
Schon vor dem Anpfiff war viel über das angebliche Derby der Klubs geschrieben worden: über Dynamo Dresden, den Klub des DDR-Systems und über Union Berlin, den Klub, der dem Stasi-Staat ein Dorn im Auge war. Und über die alte Feindschaft, die jetzt Hunderte von Ordnern und Polizisten, Hubschrauber und ein Alkoholverbot nötig machten. Die befürchteten Ausschreitungen der verhassten Fanlager blieben aus.
Bär macht Löwen Garaus
Beeindruckender als das nicht eben kleine Polizeiaufgebot war sowieso die Kulisse im ausverkauften Stadion an der Alten Försterei. Der berühmte Schlachtruf der Hausherren, „Eisern Union“, erklang in einer beinahe furchterregenden Wand von Stimmen, die Fans von Union rollten ein gewaltiges Plakat aus, auf dem der Berliner Bär einigen Löwen, dem Wappentier Dresdens, blutig den Garaus machte.
Dermaßen eingeschüchtert hielt sich Dynamo zu Anfang noch gut und wäre nach etwa 20 Minuten durch einen Freistoß von Christian Fiel fast in Führung gegangen. Danach überließen die Gäste aber für eine Stunde den Unionern fast widerstandslos das Feld – und die nutzten es. Während John Mosquera zweimal aus wenigen Metern freistehend am Tor der Dresdner vorbeischoss, verwandelte Christopher Quiring wenige Sekunden vor der Pause einen Handelfmeter zum 1:0. „Das hat uns umgebracht“, kommentierte Dresdens Kapitän Fiel anschließend trocken.
Derweil musste Unions gesperrter Kapitän Torsten Mattuschka dabei zusehen, wie sein sieben Jahre jüngerer Ersatzmann, der im Winter verpflichtete Tunesier Tijani Bellaid, seinen Platz im zentralen Mittelfeld gut ausfüllte und in der 59. Minute Mosqueras vorentscheidendes 2:0 einleitete. Damit waren die zwischenzeitlichen Versuche der Dresdner, die Abwehr der Unioner unter Druck zu setzen, endgültig beendet.
Fortan kontrollierte Union das Spiel mit einer schönen Mischung aus kämpferischer Stärke und spielerischer Eleganz. Das 3:0 von Simon Terodde in der 66. Minute und sein anschließender Treffer zum 4:0 fielen wie selbstverständlich. Die Euphorie im Stadion nahm überhand und mündete in für ein Fußballstadion seltenen Liebeserklärungen: „Union, ich will ein Kind von dir!“
Unions Trainer Uwe Neuhaus wollte den hohen Heimsieg aber nicht zu wichtig nehmen: „Wir wollten das 0:4 aus dem Hinspiel korrigieren. Das haben wir getan. Von so etwas wie Rache war nie die Rede.“ Trotzdem dürfte Neuhaus froh gewesen sein. Nach dem 0:4 aus dem Hinspiel war mehr als einmal von einer Kündigung des 52-Jährigen die Rede. Diesmal ging es nach dem Abpfiff nur um Luxusprobleme. Muss Bellaid am kommenden Samstag gegen Bochum auf die Bank, wenn der gesperrte Mattuschka wieder dabei ist? Rückt der erkältete Silvio wieder ins Team, obwohl sein Vertreter Terodde doppelt getroffen hat? Neuhaus blickte die Fragenden verschmitzt lächelnd an: „Was mache ich? Helfen Sie mir!“ FELIX LAURENZ