SPORTPLATZ : „Wir werden viele, und wir werden laut“
FANS Heute spielt Hertha gegen den FC St. Pauli. Auch Berliner werden die Hamburger dabei unterstützen – wie Daniela Stemmler und Kai Mattuschka vom Fanclub Braun-Weisse Spreepiraten
taz: Herr Mattuschka, Frau Stemmler. Es gibt den Spruch „St. Pauli ist die einzige Möglichkeit“. Was steht dahinter?
Mattuschka: Für mich heißt das zum Beispiel, dass es bei St. Pauli im Stadion die Möglichkeit gibt, sich politisch zu äußern, sich ganz klar links zu positionieren. Bei anderen Vereinen ist das schwieriger.
Stemmler: Ich glaube, dass St. Pauli nach wie vor festgelegt ist auf das linke Spektrum. Auch Leute, die den St. Pauli-Pulli nur tragen und mit Fußball nichts zu tun haben, sind ja meist links.
Sind Sie BerlinerInnen?
Stemmler: Ich komme aus dem Vogtland, bin seit 1995 in Berlin.
Mattuschka: Ick bin richtija Berliner.
Wieso sympathisieren Sie dann nicht mit einem Berliner Verein?
Mattuschka: Ich bin mit Hertha großgeworden. Irgendwann habe ich mich mit meinen Werten und Einstellungen in der Hertha-Fanschaft aber nicht mehr wiedergefunden. Mitte der 90er habe ich dann mein Herz an St. Pauli verloren.
Stemmler: Ich war 1998 zum ersten Mal da und habe gleich gesagt: Immer wieder. Seit 2006 gibt es die Spreepiraten. Aber bei uns im Fanclub gibt es auch Leute, die mit Union sympathisieren und dort eine Dauerkarte haben. Zu den Spielen gegen Eisern hier in Berlin fahren wir gemeinsam mit den Union-Fans mit der Fähre zum Stadion.
Bei St. Pauli spielt soziales Engagement eine Rolle. Auch bei Ihnen im Fanclub?
Stemmler: Ja, wir veranstalten zum Beispiel einmal im Jahr ein Soli-Konzert. Wir haben mit dem Geld einen integrativen Fußballverein in Berlin unterstützt und den „Kiezkick“, der kostenloses Fußballtraining für die Kids in Hamburg anbietet.
Wie viele St.-Pauli-Fanclubs gibt es in Berlin?
Mattuschka: Über zwanzig.
Stemmler: Es gibt viele von uns hier. Berlin ist ein gutes Pflaster.
St. Pauli gilt als der „andere“ Verein. Was ist an Ihrem Fanclub anders?
Stemmler: Puh. Erst mal sind wir alle nur Fußballfans. Wir sind eine bunte Gruppe, unsere Mitglieder sind zwischen drei Monaten und gut vierzig Jahren alt.
Mattuschka: Wir spielen auch oft bei Fanclubturnieren mit, und dann gibt es noch unsere Fahrradtour, bei der wir einmal im Jahr mit dem Rad zum Heimspiel nach Hamburg fahren, mit so zehn, fünfzehn Leuten.
Wo schauen Sie die Spiele, wenn Sie nicht im Stadion sind?
Stemmler: Im Oberbaumeck in Kreuzberg. Da haben wir unseren Stammtisch.
Was ist für linke Fans eigentlich so schlimm an der Hertha?
Stemmler: Für mich ist Hertha so … so nichts. Ich habe da keine Emotionen. Bei Union guckt man schon eher, wie die gespielt haben.
St. Pauli ist bekannt für einen starken Auswärtssupport: Wie viele Fans bringt ihr ins Olympiastadion?
Stemmler: Ich weiß nur: Wir werden viele. Und wir werden laut.
Im Netz gibt es eine Initiative, die Hertha- und St.-Pauli-Fans zu einer Fanfreundschaft bewegen will. Spinnen die?
Stemmler: Ich halte nicht so viel von solchen Initiativen. Man sollte so etwas entstehen lassen. Ich würde mir keinen St.-Pauli-Hertha-Schal kaufen.
Mattuschka: Es wäre angenehmer, wenn es eine Rivalität mit gegenseitigem Respekt gäbe. Eine Fanfreundschaft bräuchte man da nicht. INTERVIEW: JENS UTHOFF