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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Potsdam siegt gegen Berlin

JUDO-DERBY Das Duell der armen Klubs ist eher eine Art Familientreffen

„Ich ziehe meinen Hut vor den Berlinern“

ROBERT ZIMMERMANN, POTSDAMS TOP-JUDOKA

Rauchbomben oder Knallkörper gibt es hier nicht. Große Polizeiaufgebote – Fehlanzeige. In der Judo-Bundesliga geht es wesentlich zivilisierter, aber auch übersichtlicher zur Sache als in der zweiten Fußball-Liga. Auch bei einem Derby wie am Sonnabend in Potsdam. Gut 250 Zuschauer wollten sich das Duell zwischen dem heimischen UJKC und dem SC Berlin ansehen. Da die Potsdamer klar 8:4 gewannen, war die Stimmung gut.

Doch das ist sie zwischen den beiden Vereinen sowieso, egal wie die Wettkämpfe ausgehen. Man schätzt sich, man kennt sich, und man mag sich. Und vor allem läuft man sich ständig über den Weg: An zwei Tagen der Woche trainieren die Potsdamer am Bundesstützpunkt in Hohenschönhausen. Die Judokas sind fast eine kleine Familie. „Sie sind mir sehr sympathisch, weil sie einen so großen Zusammenhalt haben. Ich freue mich immer, wenn sie gewinnen“, sagt deshalb SCB-Trainer Thomas Rossius über den Lokalrivalen. Nur an diesem Tag freute er sich nicht.

Die Bundesliga-Kader beider Klubs bestehen – mangels Geld – vornehmlich aus eigenen Akteuren. Dafür sind die Vereine seit DDR-Zeiten bekannt. Damals ging es aber nur um Medaillen und Sieger. Eine Mannschaftsbundesliga, die den Teamspirit fördert, gab es nicht. Und so kreuzten sich die Wege des Universitäts-Judo- und -KampfsportKlub aus Potsdam und dem SC Berlin erst nach der Wende.

Etwas wehmütig werden die Berliner an die alten Zeiten denken, als man unter dem Namen Dynamo noch Kaderschmiede des Landes war und in Sachen Medaillen einer der erfolgreichsten Vereine Europas. Heute sind die Berliner in der Bundesliga nur schmückendes Beiwerk. Finanzkräftigere Vereine können sich diverse Welt- und Europameister leisten und bestimmen die Liga. Das macht die deutsche Judo-Bundesliga zwar zu einer der stärksten der Welt, aber für die klammen Berliner und Potsdamer auch umso schwieriger.

Besonders für die Berliner. In dieser Saison treten gleich vier ihrer Auswahljudoka für finanzkräftigere Konkurrenten an – vornehmlich aus dem Süden der Republik. „Mit denen hätten wir ein ganz anderes Team“, so Trainer Rossius. Die Potsdamer haben immerhin mit Robert Zimmermann einen Topakteur. Nur wenige Tage zuvor von der für ihn enttäuschenden WM in Tokio zurückgekommen, stürzte sich der 23-Jährige auf die Matte. „Für das Team“, wie er sagt.

Der Schwergewichtler und einzige Vollprofi der Potsdamer hatte sich mit einer üppigen Mahlzeit einen Tag zuvor motiviert. „Als Vorspeise ein Burger und als Hauptgericht ein Steak“, berichtete er schmunzelnd. Es schien gewirkt zu haben: Er gewann seine beiden Kämpfe. Respekt gab es anschließend aber auch für den Gegner. „Die haben große Probleme mit den Finanzen und trotzdem stellen sie jedes Jahr wieder etwas auf die Beine. Ich ziehe meinen Hut vor den Berlinern“, sagt er.

Ein wenig Berlin steckt in dem gebürtigen Potsdamer ohnehin. Ein halbes Jahr hat er mal in der Hauptstadt gelebt, auch jetzt ist er trainingsbedingt drei bis vier Tage pro Woche in Berlin. Gegen den SCB wird er aber in dieser Saison nicht mehr antreten.

Ob das zukünftig passiert, ist offen. Denn während der UJKC nach dem Sieg Platz drei belegt und die Play-offs im Blick hat, muss der SC Berlin um die Klasse bangen. „Also absteigen wollen wir auf keinen Fall“, sagt Rossius. Es wäre auch schade, gäbe es dann doch ein Familientreffen im Judo weniger. NICOLAS SOWA