SPORTPLATZ : Hertha entdeckt die K-Frage
2. LIGA Die Konkurrenz hat ge- lernt, wie sie die Berliner überlisten kann. Kriselt es bei den Herthanern?
Wenn man drei der letzten vier Spiele verliert, steckt man wohl in einer kleinen Krise. Bei Hertha BSC nahm zwar nach dem 0:2 (0:0) am Sonnabend gegen den MSV Duisburg niemand das Wort in den Mund, aber verneinen wollte es auch keiner. „Der Trend ist natürlich jetzt da“, sagte Kapitän Christian Lell.
Es war vor allem die Art und Weise, die nicht nur die gut 32.000 Zuschauer im Olympiastadion etwas ratlos zurückließen. Auch bei Hertha konnte sich niemand die blutleere Vorstellung erklären. Dabei wollten sie nach der schwachen Vorstellung vergangene Woche in Osnabrück Wiedergutmachung betreiben. „Im Training ging es lauter zur Sache, und es war zu sehen, dass sie alle wollten“, berichtete Manager Michael Preetz. Allein: Die Vorsätze hielten nur bis zum Anpfiff. Kein Zusammenspiel, einfallslos und seltsam gehemmt, so traten die Berliner auf. „Vielleicht hatten wir zu viel Respekt“, vermutete Mittelfeldspieler Peter Niemeyer.
Das verwundert bei einem Team, dass nach eigenen Ansprüchen auf Platz 1 gehört. Aber anscheinend haben die jüngsten Niederlagen den Aufstiegsfavoriten verunsichert. All die Tugenden, die Babbel seit Saisonbeginn gebetsmühlenartig predigt, nämlich Aggressivität, Laufbereitschaft und innere Überzeugung, ließen sie zuletzt vermissen. Eben genau jene Eigenschaften, die man braucht, um diese Liga zu meistern.
Tor wurde nicht gegeben
Doch gegen Duisburg wirkten einige Leistungsträger gar nicht anwesend. So war man mit dem 0:2 durch Tore von Olcay Sahan (52.) und Srdjan Baljak (84.) noch ziemlich gut bedient – es hätten durchaus auch mehr fallen können. Pech hatten die Berliner nur bei Domovchiyskis regulärem Tor in der ersten Halbzeit, das aber wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung nicht gegeben wurde.
Die Konkurrenz hat die vielleicht zu Saisonbeginn noch existente Ehrfurcht vor der scheinbar übermächtigen Hertha, die von den Medien als Bayern München der Zweiten Liga tituliert wurde, längst abgelegt. Es hat sich herumgesprochen, wie man den Favoriten auch ohne grandiose spielerische Mittel erfolgreich ärgern kann: Kompakt stehen, die Räume eng machen und mit hohem läuferischen Einsatz die Herthaner gar nicht zur Entfaltung kommen lassen. Das gelang dem MSV fast perfekt. Zeitweise komprimierten die Gäste das Spielfeld auf 20 Meter um den Mittelkreis. Geschickt wurden immer wieder lange Bälle in die Schnittstellen der aufgerückten Berliner Abwehr gespielt. „Vielleicht haben wir uns zu sehr locken lassen“, glaubt deshalb auch Lell.
Da nutzte auch der größere Ballbesitz für Hertha nichts. „Das ist ja jedes Spiel so. Aber wir spielen nicht zwingend genug“, so Niemeyer. Der große Schwung der ersten Spiele ist längst vorbei. Die Dominanz und das Selbstbewusstsein sind abhandengekommen. „Wir waren zu Saisonbeginn viel zielstrebiger, weil alle wussten, dass sie letzte Saison Mist gebaut haben“, sagte Babbel. Mittlerweile scheine sich aber eine gewisse Selbstzufriedenheit breitgemacht zu haben. „Die müssen wir wieder rausbekommen“, so Babbel weiter.
So werden die drei letzten Spiele vor der Winterpause auch ein Charaktertest werden. Erst gegen München, dann gegen Aue und schließlich gegen Augsburg. Noch eine Pleite können sich die Herthaner nicht leisten. Sie sind auf den dritten Platz abgerutscht und scheinen immer noch Probleme damit zu haben, die Spielweise der Zweiten Liga zu verinnerlichen. Aber dass der Aufstieg kein Selbstläufer ist, sollte spätestens jetzt jedem Einzelnen klar sein. Das Team muss so schnell wie möglich die „Gier“ wiederfinden, wie es Markus Babbel formuliert hat. Sonst wird aus der kleinen Krise ganz plötzlich eine große. NICOLAS SOWA