SPORTPLATZ : Der Rubel hat ausgerollt
PROTEST Ukraine-Konflikt und Maulkorb für die Zuschauer: Fans der Eisbären Berlin fordern die Absage eines Benefizspiels – dessen Sponsor ist der russische Gazprom-Konzern
Meist stieg der Vizechef in Berlin persönlich aufs Eis. Denn Alexander Iwanowitsch Medwedew ist nicht nur der zweitmächtigste Mann beim russischen Unternehmen Gazprom, sondern er ist auch Eishockeyfan und ehemaliger -spieler. Medwedew ist aktuell Präsident der internationalen Kontinental Hockey League (KHL), der europäisch-asiatischen Spielklasse, dem russisch dominierten Pendant zur amerikanischen National Hockey League.
Dieser Medwedew kam zuletzt im Oktober 2013 bei einem Spiel der Gazprom Export Allstars gegen die Eisbären Allstars in der Arena am Ostbahnhof zum Einsatz: beim jährlich stattfindenden Benefizspiel zwischen Stars oder Legenden aus der KHL, die als Team des Großsponsors auftraten, und einer Auswahl der Eisbären. Die Einnahmen gehen stets in die Jugendabteilung des Berliner Klubs (Eisbären Juniors). Dass es diese Begegnungen gab, war in den vergangenen Jahren kaum eine Nachricht wert. Bis heute.
Denn auch im kommenden Herbst sollte es dieses Match geben – nun aber regt sich Protest vonseiten der Fans gegen das Spiel mit dem russischen Gasgiganten als Mäzen. In einem offenen Brief an das Eisbären-Management bittet der Fanbeirat den Klub, das Spiel abzusagen. Nicht nur die aktuelle Situation in der Ukraine ist dabei Grund für die Intervention der FanvertreterInnen, sondern auch der Umgang mit den Eisbären-Anhängern bei dem Spiel im vergangenen Jahr. Wie nun bekannt wurde, soll bei der Partie im Vorjahr darauf hingewiesen worden sein, auf allzu offensichtliche Kritik im Fanblock zu verzichten.
„Der Fakt, dass sich dieses Unternehmen in Deutschland unter anderem gern als Sportförderer präsentiert und gesehen werden will, ist doch nur eine Ablenkung von jeglichen politischen Verbindungen“, heißt es in dem Schreiben, das der fünfköpfige Fanbeirat auf der Klub-Website und via Facebook veröffentlichte. Zum letzten Aufeinandertreffen mit den Gazprom Allstars erklärten die Fanvertreter: „Wenn das in Deutschland verbürgte Recht auf freie Meinungsäußerung kurzerhand außer Kraft gesetzt wird und die Fans der Eisbären Berlin in eigener Halle nicht ihre Meinung sagen dürfen, weil Gazprom der Veranstalter ist, können wir dieses Spiel weder gutheißen noch unterstützen.“
Die Eisbären-Klubführung um Manager Peter John Lee will den offenen Brief Anfang der Woche beantworten und sich vorher weder zu dem Spiel noch zu Vertragsmodalitäten äußern. Die Eisbären-Anhänger begrüßten den Protest weitgehend. „Meine Frau ist Ukrainerin ich bin gegen das, was Putin tut, und Gazprom ist ein Teil dabei“, schrieb etwa ein User auf der Facebook-Seite des Fanbeirats. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, andere große Konzerne seien nicht minder fragwürdig oder man solle nicht schon vor Beginn der neuen Saison Mitte September „Stress wegen irgendwas“ suchen.
Das staatliche Unternehmen Gazprom, das Präsident Putin als politisches Instrument nutzt, stieg in den vergangenen Jahren in verschiedenen Sportarten als Großsponsor ein – die Eisbären aber unterstützt der Konzern als regulärer Sponsor nicht. Seit sieben Jahren ist Gazprom Hauptsponsor bei den Fußballklubs Schalke 04 und Zenit St. Petersburg, vor einem Jahr schloss man einen Vertrag mit der Fifa. Auch bei der Eishockey-WM 2010 in Deutschland war der Gas-Konzern einer der Hauptsponsoren.
Fanbeirat und Fans der Eisbären äußern sich nicht zum ersten Mal kritisch gegenüber der Kommerzialisierung und dem damit verbundenen Verlust der Autonomie des eigenen Vereins: Im März 2013 boykottierte man etwa ein Spiel, als die Dauerkartenpreise zu sehr steigen sollten. In der Causa Gazprom bietet der Fanbeirat nun Hilfe an: „Wir finden ganz sicher gemeinsam andere Wege, um den Betrag für die Eisbären Juniors zusammen zu bekommen.“ JENS UTHOFF