SPORTPLATZ : Halfpipe-Akrobaten auf Punkmusik
SKATEBOARDEN Mit 34 Jahren mischt der Berliner Jürgen Horrwarth Europas Skate-Elite auf
■ Vert: Skaten mit Flugtricks und Drehungen in der U-förmigen Halfpipe, einer Rampe mit senkrechten Steilwänden
■ Streetstyle: Fahren über städtische Hindernisse wie Mauern, Geländen und Stufen
■ Bowl: Auch Poolskaten, stammt aus den USA, wo die Becken von Swimmingpools nicht kubisch, sondern abgerundet sind und sich leer zum Skaten eignen (taz)
Laute Rock- und Punkmusik dröhnt aus den Lautsprechern des Skateparks in der Lagerhalle auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände. Ein Moderator heizt die Stimmung weiter an, obwohl das vorwiegend junge Publikum längst auf Betriebstemperatur ist. Mehrere hundert Besucher bestaunen am Samstag die Tricks der Teilnehmer vom „Clash“, Deutschlands größtem Skateboard-Event.
140 Akteure aus 20 Ländern fanden sich in Berlin ein, um sich in den drei Disziplinen Vert, Streetstyle und Bowl aneinander zu messen. Außer um die Gunst der Zuschauer geht es auch um ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro. Unter den Skatern ist der 34-jährige Berliner Jürgen Horrwarth, einer von Europas besten Halfpipe-Fahrern. Die Halle bezeichnet er als „sein Wohnzimmer“, beim Contest vor heimischem Publikum ist er das Zugpferd. Seine Manöver auf dem Brett mit den vier Rollen lassen die Fans und die anderen Skater große Augen machen. Die waghalsigste Figur, den sogenannten Seven-Twenty, hat der gebürtige Reutlinger aber nicht im Programm. „Gerade bei solch großen Wettkämpfen ist auch viel Taktik dabei, und ein zu großes Risiko kann auch nach hinten losgehen“, begründet er mit Blick auf die Wertungen. Außerdem erhöhe sich hierbei auch die Verletzungsgefahr. „Dadurch, dass ich in meiner Karriere schon so oft verletzt war, kenne ich die Probleme, die bei Übermut entstehen können“, sagt der 34-Jährige. Trotz Rippenbrüchen, Bänderverletzungen und einem Kahnbeinbruch hat der Oldie der Szene keinem Gedanken an ein Karriereende verschwendet: „Dadurch, dass man in diesem Sport völlig unabhängig von Verbänden ist, alles erlaubt ist, man sich alles selbst beibringt, bestätigt es einen, sich nach Verletzungen wieder an die Spitze heranzutasten“, sagt der Goofy-Fahrer, der seinen rechten Fuß stets vorne auf dem Board platziert.
Horrwarth will seinen Sport auf jeden Fall noch mindestens fünf Jahre professionell ausüben. „Solange ich so einen Spaß daran habe wie im Moment und auch die Motivation absolut passt, denke ich nicht einmal darüber nach, jemals aufzuhören.
Der Berliner Skaternachwuchs fährt bereits an der Seite des 34-Jährigen. Mit Johan Borchert und Sam Einstein rollen zwei vielversprechende Talente über die Rampe.
Dass es einigen Teilnehmern noch an Erfahrung und Sicherheitsbewusstsein fehlt, zeigt sich an der teils mangelhaften Ausrüstung. Während Horrwarth mit Helm, Knie- und Ellbogenschützern über die 4,10 Meter hohe Halfpipe skatet, versuchen andere Wettbewerber die fehlende Schutzkleidung durch Furchtlosigkeit wettzumachen – trotz bescheidener Routine.
Die „Clash“-Veranstalter zeigen sich begeistert: „Wir machen ein Event von Skateboardern für Skateboarder und seine Fans. Es ist wie eine große Familie, wo einer dem anderen unter die Arme greift“, sagt Daniel Althoff. Was bei internationalen Contest sonst durchaus üblich ist, gibt es beim siebten „Clash“ nicht: das VIP-Zelt. Aber so etwas braucht man auch nicht, wenn die Familie zusammenkommt. RICHARD MUSSBACHER