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SPORTKOLUMNE VON KLAUS NÜSSERGewichtheben auf Biegen und Brechen

■ Am Sonnabend kommen in die Elbestadt Meißen die „starken Männer“ und heben um die Wette

Meißen (taz) — Die unterschiedlichsten Menschen in aller Welt kennen die kleine sächsische Stadt Meißen. Weinkenner wissen, daß hier das nördlichste Weinanbaugebiet Europas liegt, andere sind auf das berühmte Porzellan mit den gekreuzten blauen Schwertern scharf, die Sportfans schätzen die Gewichthebertradition. Starke Männer aus aller Welt fühlten sich in der Stadt an der Elbe unweit von Dresden zu Hause. Gottfried Schödl, der Präsident des Internationalen Gewichtheberverbandes aus Österreich, erklärte ehemals jedem, ob er es hören wollte oder nicht, daß sich die ganze Stadt für das im März stattfindende Turnier engagiert und so eine einmalige Veranstaltung organisiert wird. Ob er das heute auch noch sagen würde? Keine Abstriche gibt es jedenfalls am Elan und an der Begeisterung der Organisatoren. Schon morgen sind erneut Klasseathleten aus den führenden Gewichtheberländern und die deutsche Spitzenklasse in Meißen zu Gast. Aber sie werden nicht mehr um den „Pokal der blauen Schwerter“ stoßen und reißen. Die Porzellanmanufaktur als bisheriger Hauptsponsor gibt kein Geld, die neue Betriebsleitung spart — an der richtigen Stelle? Trotz der großen wirtschaftlichen Probleme in den neuen Bundesländern gibt es in Meißen noch Leute, die sich ihr Herz für den Sport bewahrt haben. „Dank der Unterstützung von Stadtverwaltung und Landratsamt sowie durch kleinere Sponsoren aus Meißen und Umgebung“, so Turnierchef Christian Taudt, „können wir ein Einladungsturnier durchführen. Die Besetzung ist mit zahlreichen WM-Medaillengewinnern — Gold, Silber und Bronze — so gut wie selten. Aber das Starterfeld ist kleiner, und die Wettkämpfe finden nicht an drei Tagen wie bisher, sondern nur am Sonnabend statt. Mehr läßt unser Etat nicht zu.“ Gewichtheben gehörte in der DDR zu den geförderten Sportarten. Die zahlreichen Klassen mit den vielen Medaillenmöglichkeiten bei Olympischen Spielen und internationalen Meisterschaften machten es interessant. Jetzt fällt die staatliche Unterstützung weg, Betriebe bringen wenig Geld für den Sport auf, und große westliche Sponsoren (diesmal ist keiner dabei) bleiben aus, weil sie Gewichtheben für Werbung als unattraktiv ansehen, meint Taudt: „Früher wurden bestimmte Sportarten diskriminiert, und heute trifft das wieder zu.“ Seine Bitterkeit ist verständlich. Meißen und die Sportgemeinschaft „Blaue Schwerter Meißen“ hatten sich mit anderen Betrieben und Sportlern der Stadt ein für eine ostdeutsche Kleinstadt schönes Gelände geschaffen: Gewichtheberhalle, Schwimmbad mit Sauna, Sporthalle, Sportplätze, ein Sportcasino und Übernachtungsmöglichkeiten. Das ganze Areal und das Meißner Faible fürs Gewichtheben veranlaßten den internationalen Gewichtheberverband, die Juniorenweltmeisterschaften an die Elbestadt zu verlegen. Noch im vergangen Jahr hoffte man, diese auch durchführen zu können. Das nötige Geld konnte jedoch nicht aufgebracht werden. So gab man die Titelkämpfe zurück. Auch die Eigentumsverhältnisse im Zusammenhang mit den Sportstätten sind ungeklärt. Sorgen über Sorgen für Christian Taudt, der für den Breitensport kämpft. Aber Taudt und Co. lassen sich nicht unterkriegen, wie das internationale Gewichtheberturnier am 9. März beweist.

P.S.: Die Junioren-WM soll nun im Mai in Wolmirstedt ausgetragen werden. Dort drückt das Finanzproblem auch. Schwacher Trost: Wolmirstedt liegt jedenfalls in den neuen Ländern!

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