SPIELPLÄTZE (15) : Im schwarzen Ledersessel an der Brandenburger Autobahn
FUSSBALL GUCKEN Argentinien gegen Mexiko in der Australian Sportsbar Sydney an der A 10
■ Ort: Australian Sportsbar Sydney, Chausseestr. 1, 15745 Wildau, Brandenburg. Alle Spiele
■ Sicht: Super Sicht, von jedem Tisch, von jedem Stuhl. Die Bar hat mindestens ein Dutzend Fernseher und zwei Leinwände. Der Wintergarten für die Raucher hat einen eigenen Fernseher.
■ Kompetenz: Durchaus vorhanden, aber nicht leidenschaftlich zum Ausdruck gebracht. Man sitzt eher ruhig bei einem Burger oder Bier und fachsimpelt unter sich.
■ Nationalismus: Der Unterschied zwischen Kellnerin und Deutschlandfahne ist nur schwer auszumachen. Vielleicht liegt es daran, dass vorher Deutschland gespielt hat. Und Australien ist ja sowieso schon raus.
■ Wurst: Bitburger 0,4 l 3 Euro; Kaffee 2,50; Krokodilsteak 24,50; Apfel-Sellerie-Süppchen 4; Pommes 2,50. Das Personal ist fix und freundlich. War aber auch nicht viel zu tun.
Sonntagabend, 20 Uhr. Ein heißer Sommertag liegt hinter mir, genau die richtige Stimmung, um wegzugehen. Am besten Fußball gucken. Natürlich zum Public Viewing. Kein Problem, oder?
Ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn ich befinde mich in Brandenburg, östlich von Berlin, im Landkreis Oder-Spree. Hier gibt’s weder eine Fanmeile noch eine Simon-Dach-Straße nebenan. Und auch meine Google-Kurzrecherche ist umsonst: Auf der Landkarte werden nur Treffer in Berlin angezeigt.
Na gut. Dann gehen wir doch dahin, wo man garantiert Fußball gucken kann: in eine Sportsbar. Die ist an einem Ort, an den es alle zieht, die am Wochenende shoppen, ins Kino und weggehen wollen. Dort, wo in Brandenburg am Wochenende das Leben tobt: im A 10-Center an der gleichnamigen Autobahn. Dort stehen 18 Autos auf den 3.800 Parkplätzen. Offensichtlich bleibt man am Sonntagabend lieber im Kreise der Familie, anstatt Fußball mit Fremden zu zelebrieren. Oder die Leute liegen alle noch am See und grillen. Interessiert es eigentlich irgendwen, gegen wen Deutschland am Samstag spielen muss?
Im Sydney sitzen zehn Gäste in Gruppen über den großen Raum verteilt. Die Sessel und Sitzbänke sind mit schwarzem Leder bezogen. Die Raucherlounge ist verglast. An den Wänden hängen Fotos von Sportlern, Autogramme und Eintrittskarten. Die Deko ist stilvoll und exotisch: Auf den Tischen stehen frische Blumen und Kerzen, von der Decke hängt ein Hai. Allein von meinem Sitzplatz aus kann ich sechs Bildschirme und eine Leinwand sehen und das ist gerade mal die Hälfte. Provinzfeeling kommt hier jedenfalls nicht auf. So könnte es sich auch anfühlen, in einer australischen Metropole zu sein. Leidenschaftlich feiern könnte man hier bestimmt auch. Wenn den Brandenburgern nach Feiern zumute wäre. Aber die liegen ja am See. So sitze ich allein mit Großstadtgefühl in einem schwarzen Ledersessel in der Provinz und schaue 22 Männern beim Rennen zu. Irgendwie hohl.
Seinen Namen hat das Sydney seiner Bar zu verdanken. Die ist 40 Meter lang und kommt laut Betreiber wirklich aus der australischen Metropole. Die Bar stand bei den Olympischen Spielen 2000 im Deutschen Haus des Olympischen Dorfs und war unter anderem Treffpunkt der deutschen Teilnehmer. Die Verbindung zu Olympia versucht das Restaurant zu halten. Sieger aus Sydney, Athen und Peking dürfen hier umsonst essen. Man möchte Olympiasieger sein.
Im Laufe des Spiels füllt sich der Raum. Okay, was heißt das schon. Wir sind jetzt doppelt so viele, haben aber noch mindestens Platz für fünfmal mehr. Auf dem Platz kämpfen die Spieler mit südamerikanischem Temperament, im Sydney zeigen die Zuschauer kaum eine Emotion.
Nach dem Abpfiff parken draußen immer noch 18 Autos auf der weiten Fläche. Im Hintergrund rauscht die A 10. An einem See würde jetzt das Wasser plätschern. Ich könnte im Gras liegen und den Sonnenuntergang betrachten. Es gibt Dinge, für die sich Brandenburg besser eignet, als für Fußballgucken im öffentlichen Raum. KRISTIN RUCKSCHNAT