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SPD spricht von Vertuschungsmanöver

■ Parteichef Vogel wirft Bundesregierung schwere Versäumnisse im Fall de Maizière vor/ CDU-Diestel stellt sich „konsequent“ hinter seinen Parteifreund/ Innenministerium kündigt neue Ermittlungen an

Bonn/Potsdam (dpa/adn/taz) — Die SPD hat der Bundesregierung vorgeworfen, im Fall des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Lothar de Maizière bis zu den Bundestagswahlen ein „Verdunkelungs- und Vertuschungsmanöver“ betrieben zu haben. Parteichef Vogel erklärte gestern, der „eigentliche Skandal“ sei, wenn sich jetzt herausstelle, daß das Kanzleramt „am Bundesbeauftragten für die Staatssicherheit, Gauck vorbeioperiert“ habe und möglicherweise sogar belastende Akten beiseite geschafft wurden.

In diesem Zusammenhang erklärte der stellvertretende SPD- Fraktionsvorsitzende, Willfried Penner, die Hinweise auf eine Verstrickung des CDU-Politikers mit der Stasi seien schon im Sommer beim Bundesamt für Verfassungsschutz und bei der Bundesregierung bekannt gewesen. Erst nach der Bundestagswahl sei aufgrund von Schwierigkeiten bei der Besetzung von Ämtern im Fall de Maizière ein „Enttarnungsmanöver“ gestartet worden.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin kündigte an, ihre Partei werde die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen, falls ihre Fragen an die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen de Maizière nicht befriedigend beantwortet werden. Däubler-Gmelin forderte die Bundesregierung auf, klare Antworten darüber zu geben, was sie wann gewußt und warum sie nichts unternommen hat. Sie müsse „einwandfrei klarstellen, daß nicht Innenministerium oder Kanzleramt irengendwelche Hände schützend“ über de Maizière ausgebreitet habe.

Demgegenüber erklärte der CDU-Landesverband Brandenburg, er wolle weiterhin, daß de Maizière sein Amt als Landesvorsitzender wahrnehme. „Konsequent“ hinter seinem Freund Lothar de Maizière stellte sich gestern der CDU-Oppositionsführer im brandenburgischen Landtag Peter-Michael Diestel, der den Fall als „große menschliche Tragödie“ wertete. Er hoffe, daß sich die „empörenden Anschuldigungen“ bald als gegenstandslos erweisen würden.

Diestel erklärte, die Karteikarte, aus der eine Identität zwischen de Maizière und einem Stasi-Mitarbeiter Czerny konstruiert werde, habe keinerlei Beweiskraft. Er könne, so Diestel zu Journalisten, „jedem von Ihnen eine solche beweiskräftige Karteikarte ausstellen und Sie in große persönliche Schwierigkeiten bringen“. Ein vollendeter politischer Rufmord ließe sich „mit jedem“ inszenieren.

Falls, so Diestel, sein früherer Chef im DDR-Kabinett doch zwischen die Fronten zwischen Kirche und Staatssicherheit geraten sein sollte, so werde er bestimmt den Menschen, für die er verantwortlich gewesen sei, keinen Schaden zugefügt haben.

Unterdessen kündigte Bundesinnenminister Schäuble weitere Ermittlungen im Fall Lothar de Maizière an. So soll versucht werden, auch mit direkten Befragungen von ehemaligen Stasi-Angehörigen, Licht in die Anschuldigungen zu bringen. Der Bundesinnenminister betonte, daß auch in anderen Fällen Informanten der Stasi nichts von ihrer angeblichen Tätigkeit für das frührere Ministerium für Staatssicherheit gewußt hätten. Wenn der Fall de Maizière geeignet wäre, den Blick auf die Schwierigkeiten bei der Aufklärung der Stasi-Tätigkeit zu schärfen, hätte de Maizière der Bundesrepublik einen wichtigen Dienst erwiesen.

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