SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn: "Wir fahren gut als Underdog"
Der SPD-Spitzenkandidat für die Wahlen in Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, beklagt: "Immer wenn es schwierig wird, sagt die Linke: Mit uns nicht". Der Koalitionspartner CDU sei zuverlässig.
taz: Herr Bullerjahn, die CDU will Ihren Koalitionspartner, Ministerpräsident Böhmer, überreden, im Bundesrat heute den Änderungen von Hartz IV zuzustimmen. Können Sie sich darauf verlassen, dass er standhält?
Jens Bullerjahn: Ich habe nicht die geringsten Zweifel, dass sich Wolfgang Böhmer an unsere Koalitionsvereinbarung hält. Bleibt es bei dem Regierungsentwurf, werden wir uns im Bundesrat enthalten.
Und wenn nicht?
JENS BULLERJAHN ist stellvertretender Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, in dem im März gewählt wird.
Die Wahl: In Sachsen-Anhalt wird am 20. März ein neuer Landtag gewählt. Der derzeitige Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU), der die große Koalition anführt, tritt nicht mehr an.
--
Die Kandidaten: Bei den persönlichen Sympathiewerten liegt der SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn mit 49 Prozent vorn, gefolgt von Reiner Haseloff (CDU, 44 Prozent) und Wulf Gallert (Linke, 30 Prozent)
--
Die Umfragen: Nach der letzten Infratest-dimap-Umfrage aus dem Januar zeichnet sich wieder eine große Koalition ab: Die CDU käme danach auf 32 Prozent, die SPD auf 22 Prozent. Zweitstärkste Partei wäre die Linkspartei mit 28 Prozent. Die Grünen kämen auf acht Prozent, die FDP würde mit vier Prozent an der Fünfprozenthürde scheitern, ebenso die NPD.
Diese Frage erübrigt sich.
Es gibt gute Nachrichten: Sie sind der beliebteste unter den Ministerpräsidenten-Kandidaten in Sachsen-Anhalt und können im März mit der Linken die CDU in die Opposition schicken.
Das ist mir nicht neu. Wir wollen gewinnen und arbeiten auf den Wahltag hin. Es wird nach dem 20. März keine Regierung ohne die SPD geben. Unser Wahlkampf geht für die SPD. Linke und CDU sind Konkurrenten.
Allerdings ist die Linke momentan deutlich stärker als die SPD. Sie müssten einen Linken zum Ministerpräsidenten wählen.
Das wird es mit uns nicht geben. Auch wenn die CDU und die Linke versuchen, mir das Gegenteil zu unterstellen.
Warum nicht?
Weil wir als einen wichtigen Punkt den Haushalt konsolidieren müssen und eine Schuldenbremse haben. Das sind große Herausforderungen. Die Linke hat keine Ansätze, wie sie diese bei gleichzeitigen Investitionen für Bildung und Wirtschaft meistern will. Stattdessen zerstreitet sie sich über den Kommunismus und ihr Gesellschaftsbild. Die Linke ist derzeit fachlich und politisch nicht in der Lage, eine Regierung zu führen. Immer wenn es schwierig wird, sagt die Linke: Mit uns nicht.
Mit dem Spitzenkandidaten Gallert verstehen Sie sich blendend, oder nicht?
Wulf Gallert würde ich auch von dem ausschließen, was ich eben gesagt habe. Aber auch er hat kein schlüssiges Konzept. Es bringt aber auch nichts, wenn Gallert eine solide Finanzpolitik mitträgt - er sich dann aber ständig auf Parteitagen dafür verteidigen muss. Es bleibt dabei: Mit einem Linken-Ministerpräsidenten würde Sachsen-Anhalt aus verschiedenen Gründen Schiffbruch erleiden.
Würden Sie dann auch eine rot-rote Koalition unter Ihrer Führung ausschließen?
Unser Ziel ist es, die Wahl erst mal zu gewinnen. Alle anderen Fragen stellen sich danach.
Reicht Finanzpolitik als Wahlkampfthema?
Das ist doch kein Selbstzweck. Nur solide Finanzen schaffen Handlungsspielraum für Investitionen, heute und in Zukunft. Nur zu schreien: Bildung, Bildung, Bildung, geht nicht. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Politiker mal Gedanken darüber machen, wo das Geld überhaupt herkommt.
Nervt es Sie eigentlich, dass sich offenbar bundesweit viel weniger Menschen für Ihre Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt interessieren, als für die in Hamburg oder Baden-Württemberg?
Nein, da bin ich sogar ganz froh. Bei uns entscheiden Landesthemen. Wir fahren gut als Underdog. Wir wollen unsere Arbeit machen, bis es irgendwann auffällt und man sagt: Hey, dieses Sachsen-Anhalt hat sich wieder aufgerappelt.
Gibt es diese Ressentiments, dass der Ostwähler weniger wichtig ist, als der Westwähler?
Das Interesse des Westens am Osten ist nach wie vor geringer als umgekehrt, aber darüber rege ich mich nicht mehr auf. Es liegt an uns, das abzustellen. Die Lutherdekade steht vor der Tür …
… reicht das, um Aufmerksamkeit zu schaffen?
Wir merken, wie die Dekade und die vielen geplanten Aktionen mehr und mehr interessieren. Auf einmal sitzt auch Rheinland-Pfalz mit im Kuratorium. Oder nehmen Sie den Bereich Forschung: Unser Demenzzentrum in der Universitätsklinik Magdeburg wird erstklassig. Irgendwann entsteht mal eine Situation, da wird der Osten vom Westen in vielen Bereichen als Konkurrenz wahrgenommen. Da will ich hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure