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Archiv-Artikel

SPARPOLITIK: DIE SCHWER VERMITTELBAREN WERDEN ISOLIERT Innere und äußere Abspaltung

Erste Nachricht: Die rot-grüne Regierung erwägt, das Arbeitslosengeld zeitlich zu beschränken und die Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau abzusenken – im Klartext: sie abzuschaffen. Zweite Nachricht: Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, erklärt, dass die Arbeitsämter nur noch die chancenreicheren Erwerbslosen fördern sollen. Die andern, die Langzeitarbeitslosen, seien ein Fall für die Sozialhilfe und für die Kommunen. Gerster räumt also ein, dass es für hunderttausende von Erwerbslosen keine Jobs mehr gibt – heute nicht und morgen nicht.

Dass sich über solche Nachrichten noch kaum jemand aufregt, zeigt, wie sehr sich die Wahrnehmung von Sozialpolitik schon verändert hat. Die geplanten Kürzungen bedeuten, dass Minderheiten geopfert werden – und weil der Kanzler immer versucht, im Mainstream der öffentlichen Meinung zu rudern, müssen sich seine Politstrategen wohl ausgerechnet haben, dass die neue Arbeitsmarktpolitik von einer Mehrheit akzeptiert wird. Denn im Unterschied zu den Millionen Rentnern, bei denen eine Nullrunde schon als äußerste Zumutung der Einsparer gilt, sind Langzeitarbeitslose eine kleine Minderheit: 1,3 Millionen Erwerbslose sind schon länger als ein Jahr ohne Job. Viele von ihnen leben ohnehin schon auf Sozialhilfeniveau.

Je mehr in der öffentlichen Diskussion diese Gruppe der schwer Vermittelbaren isoliert und abgehängt wird – und Gerster tut genau das –, desto leichter fällt es der Mehrheit, sich nicht betroffen zu fühlen. Der Mehrheit, das heißt: der mittleren Einkommensschicht vor allem in den alten Bundesländern. Was verbindet diese Schicht eigentlich noch mit den Unqualifizierten, mit den Bürgern in den neuen Bundesländern und mit Immigrantinnen, die alle überproportional von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind? Die Frage stellen sich viele. Heimlich.

Sozialpolitik ist also auch eine Politik der Abspaltung, der inneren und äußeren. Wie weit dieser Prozess gediehen ist, wird sich auch morgen zeigen: wenn Kanzler Schröder seine Kürzungspläne für die Arbeitslosen offen legt und die Diskussion darüber anhebt – oder eben ausbleibt.

BARBARA DRIBBUSCH