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Archiv-Artikel

SPARGEL UND SEX – IST DAS NICHT IRGENDWIE DASSELBE? WENN MAN SICH DABEI ENTSPANNT, IST ES GAR NICHT MAL SO SCHLECHT Deutschlands bestes Gemüse

JACINTA NANDI

Meine amerikanische Freundin Zara zwingt mich, Spargel zu essen. „Aber ich mag keinen Spargel“, protestiere ich. „Also, ich mag ihn schon, aber ich liebe ihn nicht so sehr wie andere Leute – und ich habe heute keinen Bock drauf.“

„Quatsch!“, sagt sie. „Alle lieben Spargel und alle haben immer Bock drauf. Außer Kinder, vielleicht. Das ist das beste Gemüse Deutschlands, Jacinta. Nimm doch das Spargelmenü von der Tageskarte.“

„Okay“, sage ich resigniert. Wir bestellen zwei Spargelmenüs und einen Kinderteller für meinen Sohn. Dann geht er auf den Spielplatz. Ich komme mir unglaublich entspannt vor, wie ich Spargel bestelle, draußen in der Sonne sitze und dann ganz locker meinen Sohn zum Spielplatz schicke. Aber wäre ich wirklich so entspannt, wie ich mir gerade vorkomme, dann würde ich vermutlich nicht darüber nachdenken.

„Jetzt können wir über Sex quatschen!“, sagt Zara. Ich nicke. „Neulich habe ich mit einem Deutschen geschlafen“, sage ich. „Er war hässlich und alt und dünn, das war was Neues für mich. Vorher hatte ich immer nur hässliche, alte, dicke Männer im Bett. Aber er war dünn und alt und er roch alt und es war alles schrecklich. Er war wie eine Leiche. Und er sagte mir: ‚Ich schlafe immer nur mit Frauen, die fünfzehn oder sogar zwanzig Jahre jünger sind als ich.‘ Das sei eine ästhetische Frage. Zara, ich will nicht antifeministisch sein, aber ist es das, wofür die Trägerinnen lilafarbener Latzhosen gekämpft haben? Irgendetwas ist schiefgegangen.“

Zara kann sehr schnell Wein trinken. Das ist fast eine übernatürliche Fähigkeit bei ihr. Sie trinkt und schüttelt missbilligend den Kopf. „Neulich habe ich mit einem Ausländer geschlafen“, sagt sie. „Und er meinte, ich wäre attraktiv genug.“

„Neulich habe ich mit einem Deutschen geschlafen“, sage ich. „Und er meinte, dass es ihm egal wäre, dass ich kein Idealgewicht habe, weil ich sehr nett sei und außerdem für die taz schreibe.“

Zara lacht wie eine Hexe. Mein Sohn kommt zurück. Ich beobachte ihn, wie er die Straße überquert. Er ist viel zu entspannt und locker und plötzlich habe ich das Bild von dem Sohn aus „Die Legende von Paul und Paula“ im Kopf. Die, in der der Sohn bei einem Unfall stirbt.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch

Matthias Lohre

Konservativ

Freitag

Jürn Kruse

Fernsehen

Montag

Anja Maier

Zumutung

Dienstag

Deniz Yücel

Besser

Mittwoch

Martin Reichert

Erwachsen

„Sprich nicht mehr über Sex“, sage ich Zara schnell. Ich lächele Ryan an. „Pass auf, wenn du die Straße überquerst!“, sage ich und versuche dabei freundlich und entspannt zu klingen statt panisch. Ryan verdreht die Augen.

„Unser Essen kommt gleich!“, sagt Zara zu ihm. „Du sollst ein bisschen Spargel probieren.“ „Niemals!“, ruft Ryan. „Er mag keinen Spargel“, sage ich. „Alle lieben Spargel“, sagt Zara. „Lass das sein, Zara“, sage ich. „Das letzte Mal, als ich drauf bestand, dass er Spargel probiert, hat er hinterher eine halbe Stunde lang geweint.“ Zara seufzt. „Dann gibt es halt mehr für uns!“, sagt sie. Ryan lächelt unschuldig. „Genau“, sagt er. „Dann gibt es mehr Spargel für euch!“ Als der Spargel kommt, merke ich, dass Zara recht hatte. Das ist wirklich das beste Gemüse Deutschlands. Ich liebe es doch. Ich habe es früher einfach nur nicht so richtig bemerkt.