SPANIEN: MASSENDEMONSTRATION GEGEN VERHANDLUNGEN MIT ETA : Die Spaltung nutzt den Separatisten
Die Großdemonstration der Opfer des Terrorismus in Madrid beweist: So gespalten war die spanische Gesellschaft in der ETA-Frage schon lange nicht mehr. Spätestens seit 1997, als die baskische Separatistenorganisation den Gemeinderat Miguel Ángel Blanco entführte und – nach einem Ultimatum und trotz einer breiten Protestwelle – regelrecht hinrichtete, einte das „Basta Ya!“, „Schluss jetzt!“, die überwältigende Mehrheit der Spanier. Die beiden großen Parteien, die sozialistische PSOE und die konservative Partido Popular (PP), unterzeichneten zusammen mit den Gewerkschaften einen Antiterrorpakt. Regierung und Opposition berieten regelmäßig über die Anti-ETA-Politik. Die Justiz erhöhte ihren Druck auf ETA und Umfeld.
Doch seit einigen Wochen ist die Einigkeit dahin. Der sozialistische Regierungschef José Luis Zapatero legte dem Parlament einen Entschluss vor, der ihm freie Hand bei Verhandlungen mit ETA lässt, sollte diese ihre Absicht beteuern, die Waffen niederzulegen. Zapatero bekam dafür die Unterstützung der Parteien links der Sozialisten und die der Nationalisten aus den verschiedenen Regionen. Nur die konservative Partido Popular (PP), die vor einem Jahr überraschend zugunsten der Sozialisten die Regierungsbank räumen musste, stimmte dagegen. Zapateros Politik sei Verrat an den Opfern des Terrorismus und an Spanien, wettert die PP. Die Konservativen fürchten einen etwaigen politischen Preis für das Ende der Gewalt. Der Bruch zwischen den beiden großen Parteien ist perfekt. Während die im Antiterrorpakt vertretenen Parteien 90 Prozent der Wählerstimmen hinter sich wussten, sind es beim Dialogangebot nur 58.
Diese Spaltung in der Gesellschaft ist gefährlich. Sie nutzt nur ETA. Immer dann, wenn es im demokratischen Lager an Einheit fehlte, wussten die Separatisten dies auszunutzen, um sich von harten Polizeischlägen zu erholen. Immer, wenn öffentlich von Dialog die Rede war, versuchte ETA, mit Anschlägen Stärke zu beweisen. Es ist dringend notwendig, dass Regierung und Opposition beim wichtigsten Thema der spanischen Innenpolitik wieder aufeinander zugehen. REINER WANDLER